Horror Factory - Das Grab: Bedenke, dass du sterben musst! (German Edition)
männlichen Crowleys zu eigen, ich mache da keine Ausnahme. Falsch verstandener Stolz und Verbohrtheit lassen es zu, dass ich gerade den einzigen wahren Freund verliere, den ich – von Liz abgesehen, die ich außerdem noch liebe, immer noch – jemals hatte.
Mein Blick, der ihm hinterherschaut, bis er meiner Sicht entschwindet, verschwimmt. Tränen füllen meine Augen, rinnen heiß über meine Wangen; die meisten weiter den Hals hinunter, aber einige auch in meine Mundwinkel. Sie schmecken salzig. Sie schmecken wie die Tränen, die ich manchmal Liz wegküsste, wenn sie sich in den Kopf setzte, aus nichtigem Anlass zu weinen.
Liz. Immer wieder Liz.
Alle Gedanken, die es wert sind, gedacht zu werden, beginnen und enden bei ihr …
2
Gegenwart
Ich frage mich, wie sie mich gefunden haben. Ich war ebenso vorsichtig wie die Male davor. Und wurde mir nicht gesagt – versprochen! –, ich würde keine Spuren hinterlassen?
Nervös wechselt mein Blick von der aufgeschlagenen Zeitung auf dem Küchentisch zu dem so unauffällig auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkenden Auto, dass es schon wieder auffällig ist. Ich stehe hinter der Gardine und spähe durch einen Spalt hinaus in den Regen. Von draußen bin ich nicht zu erkennen, aber das hindert den Mann am Steuer nicht, unablässig herüberzustarren, als hätte er Röntgenaugen.
Vor einer Stunde, als ich die Zeitung hereinholte, ist mir der Wagen zum ersten Mal aufgefallen. Seither rekapituliere ich jede der bisherigen Todesmissionen, um herauszufinden, bei welcher ich einen solch schwerwiegenden Fehler gemacht haben könnte, dass sie mich nun als verdächtig einstufen. Die Indizien können nicht so stichhaltig sein, dass ich quasi als Täter überführt bin. Sonst hätten sie sich nicht mit einer einfachen Beobachtung begnügt, sondern das Haus gleich gestürmt.
Ich wohne in einer ruhigen Gegend. Die Nachbarn wären not amused . Ein wenig erinnert mein Haus an das von Sam Tyler, meinem jüngsten Opfer, der die Titelseite des heutigen Lokalteils fast alleine füllt. Irgendein übereifriger Redakteur hat es sich nicht nehmen lassen, noch einmal aufzurollen, was dem armen Sam in den letzten Wochen alles widerfahren ist. Die Schlagzeile lautet:
DRITTER GLÜCKSPILZMORD IN FOLGE
Steckt ein Serientäter dahinter?
Polizei verhängt Nachrichtensperre
Vor ein paar Wochen hatte, so steht es zu lesen, der gute Sam einen unfassbaren Dusel. »DAS BLITZWUNDER«, titelte dasselbe Blatt damals. Zunächst sah es für Sam Tyler nicht so aus, als hätte er an jenem Tag das Glück für sich gepachtet: Er erlitt auf seiner Arbeit einen schweren Infarkt und starb bereits auf dem Weg ins Krankenhaus. Sämtliche Wiederbelebungsversuche scheiterten. Doch unmittelbar nachdem das Rettungsteam seine Bemühungen eingestellt hatte, passierte etwas Unglaubliches: Auf einer Kreuzung kollidierte der Rettungswagen mit einem Lkw, der die Sirene überhörte. An dem Tag goss und gewitterte es sintflutartig, die Sicht war extrem eingeschränkt. Und so wurde dem Rettungswagen die halbe Karosserie weggerissen, als er zwischen Zugmaschine und Auflieger des Trucks geriet und dort eingekeilt wurde. Der Fahrer und ein Sanitäter starben. Doch dann der Clou: Der Patient, an dem wie von dem überlebenden Notarzt zu erfahren war, Sekunden zuvor alle Reanimationsbemühungen eingestellt worden waren, wurde von einem in das Wrackknäuel einschlagenden Blitz wiederbelebt! Was der Defibrillator nicht geschafft hatte, erledigte Mütterchen Natur quasi mit links! Über das »Blitzwunder« wurde sogar überregional im Fernsehen berichtet. Für ein paar Tage erntete Sam Tyler einen Ruhm, zu dem er selbst eigentlich nichts beigetragen hatte.
Doch nun, so stand in der heutigen Ausgabe zu lesen, hatte den Glückspilz das Pech doch noch eingeholt – in Gestalt eines Wahnsinnigen, der zuvor schon, so die Mutmaßungen, zwei ähnlich geartete Bluttaten in Stratford und Umgebung verübt hatte!
Eines Wahnsinnigen. Die Rede ist von mir.
Ich wende mich wieder der Straße zu. Dem verschwommen durch die regennasse Scheibe seines Wagens erkennbaren Polizisten. Er trägt keine Uniform. Aber auf mein Gespür ist Verlass.
Erneut kreisen meine Gedanken um die Frage: Wie haben sie es geschafft? Gab es einen Zeugen meiner Tat (der jüngsten, nehme ich an, sonst wären sie schon früher aufgetaucht), den ich nicht bemerkte? Aber er hätte mich vom Tatort bis hierher verfolgen müssen, um zu wissen, wo ich wohne. Ich hatte
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