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Horror Factory - Der Behüter(German Edition)

Horror Factory - Der Behüter(German Edition)

Titel: Horror Factory - Der Behüter(German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malte S. Sembten
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Gordian sich an ihr vorbei und setzte beherzt über die Treppenlücke hinweg. Er reichte ihr die Hand. »Keine Angst! Ich halte dich – und du hältst das Geländer fest!«
    Sie ergriff seine Hand. Am liebsten wäre Alenka mit zugekniffenen Augen gesprungen. Doch schon zog er sie zu sich herüber, fing sie auf und hielt sie fest. Sie lehnten aneinander wie Liebende.
    Hastig machte sie sich los – und sah das Mädchen. Es ging über die schwarze, bodenlose Öffnung hinweg wie andere über Wasser schreiten. Doch bevor Alenka diesen Anblick verdauen konnte, nahm Gordian sie bei der Hand und zog sie weiter. Mehrere Stufen nach der Lücke folgte ein kurzer gerader Gittersteg, von dem nach einigen Metern seitlich eine steile, geradläufige Metalltreppe abzweigte. 
    Kurz bevor sie die letzte Stufe erreichten, hörten sie Justines Stimme: »Auf den Schreck muss ich erst mal eine rauchen.«
    Die Feuerzeugflamme beleuchtete Justines kalkweißes Antlitz. Ihre Augen wirkten groß und glänzend. Sie hatte einen Bluterguss am Kinn. »Wer anderen eine Grube gräbt …«, sagte sie schwach lächelnd mit ihrer dunklen Stimme und blies Alenka eine Nikotinwolke ins Gesicht. »Wir haben die beiden Stufen selbst entfernt. Stufe Nummer neun und Nummer zehn. Als Hindernis für ungebetene Besucher. Weil du mich beim Zählen aus dem Takt gebracht hast, bin ich in die eigene Falle getappt.«
    Sie ließ das Feuerzeug in die Außentasche ihres Blazers gleiten. »Menschen pflegen in solchen Fällen zu sagen: Ein gefährlicher, aber glücklich verlaufener Sturz … Noch mal glimpflich davongekommen … Glück im Unglück. Die Wahrheit lautet: Ich bin weich gefallen. Mein Behüter hat mich abgefangen.«
    Das war kaum zu glauben. Der Gorilla stand neben Justine, ungerührt und statuenhaft wie gewohnt. Sein heller Dreiteiler saß wie angegossen und wirkte so neu, als sei er eben erst aus der Schneiderei geliefert worden. Und doch war es noch immer leichter, dies zu akzeptieren, als dass Justine den Sturz aus reinem Glück unverletzt überstanden haben sollte.
    Mit der Schuhspitze kickte Justine einen Plastiksplitter der Taschenlampe beiseite, der auf dem Betonboden lag. Der Strahl der Stablampe, die sie noch immer in der Hand hielt, hob eine Metalltür aus dem Dunkel. Die Tür wirkte neu und war mit mehreren Schlössern gesichert. Justine zog die passenden Schlüssel hervor. Kurz darauf trat die Gruppe über die Schwelle.
    Die Strahlen der Stablampen erloschen, und Alenka fand sich in tiefster Finsternis wieder. Schon fühlte sie den Panikschub. Im selben Moment ertönte ein Klicken, als würde ein Schalter betätigt. Die Dunkelheit löste sich auf.
    »Hier feiern wir das Sakrament, Alenka. Sieh dich in Ruhe um!«
    Sie befanden sich in einem hohen, lang gestreckten Gewölbekeller aus unverputztem Backsteinmauerwerk. Der Raum war etwa sieben Meter hoch und mindestens dreißig Meter lang, bei einer Breite von geschätzten zehn Metern. An den Längswänden standen in regelmäßigen Abständen Dreifüße mit Aufsätzen, die aussahen wie Räucherbecken. Aber statt Weihrauch stiegen aus ihnen karneolfarbene Lichtsäulen auf, die das Gelass in einen mattroten Glanz tauchten.
    Zwischen den einzelnen Dreifüßen hingen hohe, flache Rahmen oder Tafeln an den beiden Seitenwänden. Wieder ertönte ein Klicken. Daraufhin erglühten die Tafeln wie Buntglasfenster in einer Kathedrale.
    Alenka trat auf den ersten Rahmen zu. Sie erkannte, dass es sich um ein großes Leuchtbild handelte. Es erinnerte an die MegaLight-Poster in der Innenstadt. Von deren Reklamemotiven unterschied es sich allerdings beträchtlich.
    Es war ein Leuchtbild des Sakramentes. Der nackte Menschenleib hing an Ketten mit gestreckten Gliedern x-förmig vor einer Ziegelmauer. Er war von den Waden bis zum Scheitel von den Zeichen bedeckt, die Alenka auf den Internet-Fotos gesehen hatte. In einer Fußvene steckte eine Kanüle mit einem Schlauch, wie bei einer Infusion. Ein dickerer Schlauch mündete in den Penis. Der Mund war von einem schmalen Streifen Gaffer-Tape versiegelt. Die Augenpartie war von einem schwarzen Balken überdeckt.
    Alenka spürte, dass sie zu zittern begann. Die Haltung des anonymen Mannes mit den gespreizten, gefesselten Gliedmaßen und sein zugeklebter Mund katapultierten sie in jene grauenvolle Nacht zurück, als sie selbst gefoltert worden war.
    Sie spürte eine sachte Berührung am Arm. Gordian war neben sie getreten. »Ich weiß, Alenka, dass das schlimme Erinnerungen

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