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Horror Factory - Glutherz

Horror Factory - Glutherz

Titel: Horror Factory - Glutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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muffigen Geruchs entgegen. Die Teppiche, mit denen das Foyer ausgelegt war, mochten einmal rot gewesen sein. Jetzt waren sie verschlissen und ausgebleicht.
    Das Summen und Dröhnen war einer schief und aufdringlich klingenden Musik gewichen, die aus dem großen Saal drang. Ich hörte das Aufbranden von Applaus. Die Vorstellung war also in vollem Gange.
    Niemand bewachte die Zugänge. Doch etwas hielt mich davon ab, einfach in den Saal zu marschieren und mir einen Platz zu suchen. Man würde auf mich aufmerksam werden. Man würde sich nach mir umdrehen. Vielleicht würde mich Coppelius bemerken …
    Links und rechts führten breite Treppen, die ebenso mit dem uralten roten Teppich bedeckt waren, nach oben. Ich schlich die Stufen hinauf. An seitlichen Gängen lagen die Türen zu den Logen. Waren sie besetzt? Würde ich einen Platz finden, den ich unbemerkt einnehmen konnte?
    Die Musik im Saal wurde lauter. Wieder toste der Applaus. Ich konnte mir nicht recht vorstellen, was auf der Bühne geschah.
    Am Ende des Ganges saß ein dicker Mann auf einer kleinen Bank. Er trug eine Uniform wie die Wärter in dem großen Theater in der Nähe von Hoffmanns Wohnung und schien die Loge neben sich zu bewachen. Als er mich sah, stand er auf und verbeugte sich kurz.
    »Fräulein Olympia, wenn ich nicht irre«, sagte er.
    Man hatte mich erwartet. War das hier eine Falle?
    Ich tastete nach meiner Spieluhr, denn mir war klar, dass ich mich in wenigen Sekunden würde schützen müssen. Meine Finger griffen ins Leere. Ein heißer Schreck durchfuhr mich. Der Mechanismus war nicht mehr da. Ich hatte ihn wahrscheinlich verloren. Oder hatte man ihn mir nach dem Angriff in Spalanzanis Haus abgenommen?
    Aber der Mann vor mir machte keine Anstalten, mir etwas zu tun. Im Gegenteil – er war höflich, obwohl er mir mit seinem seltsam maskenhaften Gesicht Unbehagen einflößte. Die Haut war sehr glatt, die Augen hell und starr.
    »Wir haben Ihnen einen Platz reserviert«, sagte er und öffnete die Logentür. Es war die letzte Tür auf dem Gang. Die Loge befand sich seitlich von der Bühne. Ein einziger, mit rotem Samt überzogener Stuhl stand darin. Wie der Teppich war auch dieser Samt verschlissen und ausgebleicht. Ich konnte durch die Tür sehen, dass der große Saal voll besetzt war.
    »Es ist der einzige Platz, den wir noch haben«, sagte der Mann. »Wir haben ihn extra für Sie frei gehalten. Die Vorstellung hat gerade erst begonnen. Sie haben also noch nicht viel verpasst.«
    Ehe ich etwas sagen konnte, hatte mich der Mann in die Loge geschoben. Seine Hände fühlten sich hart an.
    »Ich glaube, ich möchte lieber gehen«, sagte ich, aber der Wärter versperrte mir mit seinem Körper die Tür.
    »Aber wir sind sicher, dass Sie die Vorstellung sehen wollen. Vielleicht interessiert Sie wenigstens dieser eine Programmpunkt.«
    Er deutete auf die Bühne, und ich wandte mich um. Die Musiker saßen im Orchestergraben vor dem Bühnenrand. Ein kleiner dünner Mann fuchtelte mit den Armen und brachte die Geigen, Trompeten, Bässe und Flöten dazu, einen Tusch hervorzubringen.
    Es folgte Stille. Dann trat von der Seite ein Mann auf die Bühne. Die Kerzen beleuchteten sein Gesicht.
    Es war Coppelius.
    »Dieses Kunststück hat er Ihnen gewidmet«, raunte mir der Logenwärter von hinten zu. »Darauf sollten Sie nicht verzichten.«
    Und tatsächlich drehte sich Coppelius mir zu und rang sich ein Lächeln ab. Seltsam, dachte ich. Sein Gesicht sieht haargenau so aus wie das des Logenwärters. Glatt und feist, helle Augen, starrer Blick.
    Ich wollte die Ähnlichkeit überprüfen und drehte mich um, aber da war der Mann schon verschwunden und hatte von außen die Tür geschlossen.
    Coppelius blickte jetzt wieder ins Publikum. Für einen Moment hatte ich den Eindruck, auch die Menschen im Saal seien alle ein und derselbe Mensch, nur vervielfacht. Doch einen Wimpernschlag später saßen da Männer, Frauen, alte Leute, Halbwüchsige – einige sogar edel in kostbare Garderobe gekleidet, ältere Herren in dunklen Anzügen, Damen mit Fächern, junge Mädchen in bunten Sommerkleidern.
    Trotzdem. Das hier war Coppelius’ Welt. Ich war in Gefahr. Ich musste fort. Hastig stand ich auf und wollte die Loge verlassen. Die Tür war verschlossen.
    Ich sah mich nach einer anderen Möglichkeit zur Flucht um und bemerkte, dass Coppelius nicht alleine auf der Bühne war. Eine zweite Figur war hinzugekommen. Es war kein Mensch, sondern es war eine Art Puppe. Die ganze Gestalt

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