Horror-Hochzeit
Die reine Bestie schaute auf die versammelte Menge, und kalte Raubtierblicke glitten über leichenblasse, ängstliche und verschwitzte Gesichter.
Im krassen Gegensatz zum dunklen, pelzigen Fell auf seinem Körper standen die Haare. Sie hatten sich ebenfalls verändert, waren länger geworden und standen in die Höhe. Und sie rahmten dabei das runde Gesicht ein, so daß sie sich zu beiden Seiten des Kinns mit dem Körperpelz vereinigen konnten.
Das Gesicht wirkte innerhalb dieser Haarflut ziemlich flach. Dort wuchs zwar auch kein Fell, dennoch überdeckte es die primären Gesichtsmerkmale nicht.
So war eine flache Nase zu erkennen, ein klaffendes Maul und sehr scharfe, spitze Raubtierzähne, die der Unhold gebleckt hatte. Füße besaß er ebensowenig wie Hände. Arme und Beine liefen in mit Krallen besetzten Pranken aus, die, wenn sie mal zuschlugen, fürchterliche Wunden reißen konnten.
In der pelzigen Flut des Gesichts wirkten die Augen wie zwei kalte Kugeln, die jemand in die Höhlen hineingedrückt zu haben schien. Ein jeder wußte, daß dieser Werwolf erschienen war, um zu töten Etwas anderes gab es für ihn einfach nicht. Er wollte das Grauen, er wollte das Blut, er wollte Opfer.
Und er hatte sich sein erstes bereits ausgesucht.
Es war Lucienne - seine Frau!
Nach rechts hatte sich die Bestie gewandt. Nur einige Schritte entfernt hielt sich Lucienne auf, zusammen mit ihren Eltern, die ebenfalls geschockt waren.
Sie hatten ihre Tochter in die Mitte genommen. Monsieur Lancomb stand halb vor ihr und hatte wie schützend seinen Arm um sie gelegt, während Madame ein Glas Champagner in der Hand hielt und es leerte, ohne dabei zu trinken, weil sie zu sehr zitterte und die teure Flüssigkeit verschüttete.
Die Bestie grinste.
Es war ein seltsames Verziehen des Gesichts, und die Augen begannen noch kräftiger zu funkeln.
Lucienne fühlte den kalten Blick auf sich gerichtet und schüttelte den Kopf.
»Nein! Nein!« flüsterte sie. »Ich will nicht…« Sie ahnte, was dieses Geschöpf vorhatte.
»O doch, du bist meine Frau!« Zum erstenmal hatte der Werwolf sich artikuliert. Die Worte waren stoßweise aus seinem Maul gedrungen. Sie klangen sehr rauh, waren schwer zu verstehen und stets von einem Fauchen oder Knurren begleitet.
Sie machten den Zuschauern noch mehr Angst. Niemand allerdings bewegte sich, keiner schrie, als würden sie alle unter einem magischen Bann stehen.
»Du willst nicht?«
Wieder schüttelte Lucienne den Kopf. »Dann«, grollte die Bestie und legte eine Pause ein »Dann werde ich dich holen…!« Und schon sprang er vor.
Er war ungemein geschmeidig. Die Kraft des Tieres steckte in ihm, als der Körper vom Boden abstieß und sein Ziel fand.
Monsieur Lancomb wuchs über sich selbst hinaus. Er warf seine Tochter in die Arme der Mutter, die von dieser Aktion überrascht wurde und fast zu Boden gefallen wäre. Auch andere in der Nähe stehende Gäste wichen zurück, klammerten sich aneinander fest und beobachteten mit angstgeweiteten Augen die weiteren Vorgänge.
Lancomb stellte sich dem Werwolf in den Weg!
Sheila Conolly ahnte als einzige das Unheil, das unweigerlich kommen mußte, denn sie kannte sich mit Werwölfen aus. Ihr Warnschrei kam zu spät, und die Worte erstarben auf ihren Lippen.
Der Werwolf war da.
Ein Schlag mit der rechten Pranke reichte aus.
Der Mann sah noch einen Schatten der im Halbkreis auf ihn zuwischte, wollte den Kopf einziehen, als er bereits getroffen wurde. Er hatte das Gefühl, von einer Gartenharke an der linken Kopfseite erwischt worden zu sein Nur waren es keine Zinken, die ihn getroffen hatten, sondern Krallen.
Wie eine Figur flog er zur Seite, während aus den Wunden das Blut sprudelte.
Die Schmerzen waren kaum zu ertragen. Der Mann wälzte sich auf dem Boden, und seine Frau begann zu schreien.
Die Bestie kümmerte sich nicht um die beiden. Ihr Ziel war Lucienne, die junge Frau. All ihre schrecklichen Alpträume wurden zu einer grausamen Wirklichkeit, als sie die Gestalt des Werwolfs so dicht vor sich sah, in das offene Maul schaute und die blitzenden Reißzähne erkannte. Wenn sie zubissen war sie verloren.
Der Werwolf biß nicht. Er fauchte ihr ins Gesicht und ließ beide Arme nach unten sausen.
Hart schlugen die Krallen in die Schultern der Französin und zerfetzten den Kleiderstoff, als bestünde er aus dünnem Papier. Auch im Fleisch der Schultern hinterließen die Krallen Wunden. Dennoch verspürte Lucienne keinen Schmerz, die schreckliche
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