Horror-Hochzeit
Bill.
Der Earl lächelte. »Soviel mir bekannt ist, liegt Ihr Gatte wohl verwahrt in einer Kühlkammer. Hier war es ihm wohl zu heiß. Sie verstehen, nicht wahr?«
Sheila verstand sehr schnell. Sie wußte auch, daß man Bill eine Falle gestellt hatte. Wahrscheinlich auch John Sinclair, sonst wäre er längst wieder im Saal gewesen.
Sie wollte zurück, das ließ der Bräutigam nicht zu. Bevor Sheila ihm noch entwischen konnte, hatte er schon zugegriffen. Seine Hand umfaßte Sheilas Arm in Höhe des linken Ellbogens, und die Finger besaßen die Kraft eines wilden Tieres.
»Jetzt bleib hier!« zischte der Earl. »Es ist sowieso zu spät. Meine Stunde ist gekommen.«
»Lassen Sie mich los, Sie…«
»Nein!«
»Dann schreie ich!«
Der Earl lachte nur. »Sie können schreien soviel Sie wollen, Sheila. Denn Sie sind bald nicht die einzige, die hier schreien wird, das kann ich Ihnen versprechen Meine Zeit ist da. Es geht los!«
Er hatte die Worte kaum ausgesprochen als er Sheila losließ und bei ihm die Verwandlung begann.
Sheila nutzte die Gelegenheit und sprang aus seiner Reichweite. Aber der Adelige zeigte keinerlei Interesse mehr an ihr. Er war mit sich selbst und seinem großen Problem beschäftigt.
Weit beugte er sich vor.
Dabei schlug er die Arme nach unten, klatschte die ausgebreiteten Hände auf den Boden und schnellte sofort wieder in die Höhe. Er streckte seinen Körper, legte den Kopf in den Nacken, riß weit den Mund auf, und Sheila, die ihn nicht aus den Augen gelassen hatte, erkannte mit Schrecken das mörderische Werwolf-Gebiß. Das war er also. Der Werwolf, von dem bereits der Reporter Bernie Winter gesprochen hatte.
Die Mitglieder der Kapelle entlockten ihren Instrumenten nur leise Töne, so daß die Klänge mehr an Barmusik erinnerten. Die wurden von einem fürchterlichen Schrei nicht nur übertönt, sondern regelrecht zerrissen. Der Earl hatte so schrecklich geschrien!
Nein, nicht der Earl, denn das, was die Gäste sahen war kein normaler Mensch mehr, sondern jemand, der sich auf dem Weg zum Raubtier befand und sich entsprechend verwandelte.
Nach dem Schrei war für einen Moment eine Stille eingetreten die schwer wie Blei über dem Raum lag. Auch die Musiker hatten aufgehört zu spielen Ein jeder schaute in die Richtung, aus der seiner Ansicht nach der Schrei aufgeklungen war.
Und ein jeder sah ihn!
Der Earl hatte sich gedreht und mit dem Rücken gegen den mit Geschenken überladenen Tisch gestemmt. Er lag in einer Schräghaltung, sein Gesicht war verzerrt, der Mund stand weit offen und der Körper bewegte sich zuckend.
Er wuchs!
Von innen her drang die unheimliche, schwarzmagische Kraft, drängte die Muskeln auseinander, so daß die Nähte der Kleidung nicht mehr halten konnten und wegplatzten.
Das Zeug wurde zerfetzt, während sich Humphrey auf dem Geschenktisch drehte, mit den Armen um sich schlug und einiges an Paketen und wertvollen Gaben zu Boden räumte.
Noch schrie niemand, noch sprach niemand. Der Vorgang war zu entsetzlich. Auch die Braut wagte nicht, sich zu rühren. Sie stand leichenblaß auf dem Fleck und vernahm als nächstes Geräusch keinen Schrei mehr, sondern das, was sie aus der Nacht her kannte, als sie nicht einschlafen konnte.
Ein schauriges Heulen!
Unheimlich schwang es durch den Ballsaal. Ein Ton, wie ihn Wölfe in den tiefen Wäldern Rußlands oder Kanadas ausstießen. Schlimm, grauenhaft und fürchterlich.
Noch lag der Mann auf dem Bauch. Dabei hob er beide Arme an und schlug sie immer wieder nach unten.
Es waren keine Hände mehr, die in den Geschenken wühlten sondern Mordkrallen die an den beiden ebenfalls mit schwarzem Fell bedeckten Armen endeten.
Wieder schleuderte der Werwolf seinen Körper herum. Diesmal platzte auch der Rest der Kleidung weg. Nur noch Fetzen blieben hängen, als härten man sie angeklebt.
Zum erstenmal zeigte er sich so, wie er wirklich war, und jeder konnte ihn sehen.
Die Menschen überkam das kalte Grauen!
Vielleicht wußten die meisten überhaupt nicht, wer da vor ihnen stand. Von Werwölfen hatten sie bestimmt noch nichts gehört. Und diejenigen, die mal etwas darüber gelesen oder Abbildungen gesehen hatten, konnten es wohl auch nicht fassen da sie solche und ähnliche Dinge stets in das Reich der Fabel und Legende abtaten.
Hier jedoch erlebten sie die rauhe und auch gefährliche Wirklichkeit einer unheimlichen Magie.
Der Earl war, als er sich endlich aus seiner halb liegenden Stellung erhoben hatte, kein Mensch mehr.
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