Hosen runter: Roman (German Edition)
obendrein scharf aussahen. Unter normalen Umständen keine schlechte Nachricht, in diesem besonderen Fall jedoch der Super- GAU . Ich startete den Motor und verdrückte mich.
Die Therapiegruppe hatte sich damit selbstverständlich auch für mich erledigt. An einer der nächsten Ampeln realisierte ich, dass die Praxis von Nathalie hinter der nächsten Kreuzung lag und ich einen Bogen darum machen sollte, um mit dem Vergessen sofort anzufangen. Dazu würde auch gehören, ihre Visitenkarte zu vernichten. Ich zog sie aus der Tasche und sah sie ein letztes Mal an. Die elegante Handschrift, mit der sie mir ihre Telefonnummer aufgeschrieben hatte. Ich steckte die Karte zurück. Vor dem Gebäude fuhr ich nur noch Schritttempo, bis ich leise bremste und durch die Beifahrerscheibe auf das Messingschild am Eingang sehen konnte. Nathalie Gassner hatte ihren therapeutischen Kerker im Erdgeschoss, und dort brannte um 21.38 Uhr immer noch Licht! Einem spontanen Einfall folgend, setzte ich zurück und parkte den Wagen ein. Dann rutschte ich tiefer in den Sitz und begann das Haus zu beobachten.
Hatte Nathalie sich von diesem Kretin doch nicht zurückin die Steinzeit vögeln lassen? Hatte ich ihr Unrecht getan? Oder war nur die Putzkolonne in der Praxis und wischte die Tränen der Patienten vom Boden?
Um 22.17 Uhr kamen Monika und Stefanie aus dem Haus. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich derart freuen würde, die beiden wiederzusehen.
Sie verabschiedeten sich mit einem Küsschen auf die Wange voneinander. Monika machte sich nach links auf den Weg, aber Stefanie tat nur so, als würde sie fortgehen. Sie blieb nach einigen Metern stehen und zündete sich eine Zigarette an. Es sah aus, als würde sie auf jemanden warten.
Zwei Minuten später trat der Mäuserich aus der Haustür, und Stefanie fing ihn auf dem Bürgersteig ab. Das hatte sie geschickt hingekriegt. Der Mäuserich hakte sie unter, und sie brachen gemeinsam auf. Es war unglaublich! Dieser Knallkopf konnte wahrscheinlich nachts bei Eiseskälte am Nordpol spazieren gehen, ihm würde trotzdem ein williges Eskimoweibchen über den Weg laufen.
Um 22.33 Uhr wurde in der Praxis das Licht gelöscht, und kurz darauf trat Nathalie aus dem Gebäude. Gähnend und mit gemächlichen Schritten ging sie in Richtung ihrer Wohnung. Ich beobachtete jede ihrer Bewegungen, bis meine Augen feucht wurden, denn vor mir lief das einzig unwillige Weibchen der Stadt. Ich hätte nie zu träumen gewagt, dass mir diese Einsicht vor Glück die Tränen ins Gesicht treiben würde. Ich schluckte erleichtert und freute mich wie ein frisch verliebter Schuljunge.
KAPITEL 8
Ich wollte mich eigentlich mit einer Wäschelieferung aus Frankreich beschäftigen, die ich auspacken und auszeichnen musste, aber ich musste die ganze Zeit an Nathalie denken. Aus Dankbarkeit, dass sie den Mäuserich nicht rangelassen hatte, hätte ich ihr am liebsten einen Strauß Blumen geschickt, mit einem Kärtchen und einer schmachtenden Liebeserklärung an meine Traumfrau versehen. Aber das ging natürlich nicht. Sonst hätte ich ihr gestehen müssen, hinter ihr her geschnüffelt zu haben. Und dann würde sie mich vermutlich noch als Stalker diagnostizieren.
»Tom?«, fragte eine Stimme aus dem Weltall. Sie kam von Markus, den ich schon vor einer Weile auf den Lautsprecher gestellt hatte.
»Ich hör dir zu«, log ich ihn an.
»Ich habe mir über neun Monate lang jeden Tag rund um die Uhr Mühe gegeben, für sie da zu sein«, resümierte Markus sein Scheitern nach zweiundvierzig Minuten in meiner Festnetzleitung. »Aber in dem Moment, wo du selber mal einen schlechten Tag hast und mit deiner Freundin über deine Probleme reden willst, da muss sie sich dringend mit einer Arbeitskollegin treffen und hat keine Zeit für dich«, klang er wie das Opfer eines bedauerlichen Justizirrtums.
Irgendwann im Laufe der nächsten halben Stunde faselte er etwas davon, vielleicht nie wieder Sex haben zu wollen, aber da war ich bereits in einen Zeitungsartikel eines britischen Herrenmagazins vertieft. Eine internationale Studie belegte, dass Männer es nicht lassen konnten, Frauen stundenlang den übelsten Blödsinn zu erzählen, nur um sie ins Bett zu bekommen. Ich zuckte schuldbewusst zusammen. Solche Untersuchungen sollte man verbieten.
»Tom?« Markus riss mich aus meiner Lektüre.
»Ja?«
»So brutal wie Frauen sind, können sie doch eigentlich keine Menschen sein, oder?«, wollte er wissen.
Ich überlegte, ihm die
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