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Hosen runter: Roman (German Edition)

Hosen runter: Roman (German Edition)

Titel: Hosen runter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Regel
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Telefonnummer meines Vaters zu geben, damit er diese Frage ausführlich mit ihm debattieren konnte, als eine Frau den Laden betrat. Sie hatte wegen des Regens eine Mütze über ihren Kopf gezogen, eines dieser Modelle mit langen Ohrlappen, mit denen man wirkte wie ein Ureinwohner eines sehr kalten Landes. Die Frau nahm den folkloristischen Kaffeewärmer ab und schüttelte ihre Haare. Es war Nathalie.
    »Hui«, sagte sie, als sie die lauschige Wärme meiner fünfzig Quadratmeter Florida wahrnahm. Für meine Kundinnen hielt ich die Raumtemperatur stets auf Bikiniwetter, deshalb herrschten in meinem Laden gemeinhin klimatische Bedingungen wie in Miami Beach.
    »Tom?«, beschwerte sich Markus genervt.
    »Kundschaft«, antwortete ich und drückte ihn weg.
    Nathalie verstaute ihre alberne Mütze in einer Seitentascheihres Mantels, den ich ihr anschließend abnahm und hinter den Tresen legte. Sie steckte ihre Hände in die Hosentaschen und blickte sich um.
    »Wow! Das ist ja wie ein begehbarer Kleiderschrank bei dir.«
    »Ja, so fühlen sich die Damen hier: wie bei sich zu Hause.«
    Nathalie inspizierte den Laden neugierig wie ein kleines Mädchen die Spielzeugabteilung. »Da hast du dir ja eine fleischgewordene Männerphantasie eingerichtet«, analysierte sie. »Bei der Reizüberflutung müssen deine Synapsen abends völlig überlastet sein.«
    »Für mich ist es normal, von heißen Schlüpfern umzingelt zu sein.«
    »Und halb nackten Frauen«, bemerkte sie und deutete auf die Reklameposter.
    »Die sehe ich schon gar nicht mehr«, erklärte ich ihr  ehrlich. »Das musst du dir vorstellen wie bei jemandem, der in Kalifornien lebt: Dem fällt der viele Sonnenschein auch nicht mehr auf, weil dort fast jeden Tag schönes Wetter ist. Und so geht es mir mit den Dessous oder den Werbemodels. Die sind wie eine Tapete.«
    Nathalie musste lachen. Dann sah sie mich an. »Warum einen Dessousladen, Tom? Du hättest genauso gut ein Herrengeschäft aufmachen können.«
    Den Dessousladen gab es nur, weil mich meine große Liebe auf die Idee gebracht hatte, bevor sie mich schändlich sitzen ließ, aber wo stand eigentlich, dass man seiner Therapeutin alles erzählen musste?
    »Weil ich mir lieber Frauen in Unterwäsche ansehe als Männer in Button-Down-Hemden,« wich ich der herzzerreißenden Wahrheit aus.
    Trotz der Schlichtheit meines Arguments schien es ihr irgendwie einzuleuchten. Sie nickte.
    »Und warum beschäftigst du dich mit beziehungsgestörten Männern?«, fragte ich sie nun.
    »Ich hatte nach dem Studium nur noch ein weiteres Jobangebot, und das war von einem gerontopsychiatrischen Heim. Da hast du den ganzen Tag mit Demenzkranken und Finalpflege zu tun. Im Vergleich dazu erschienen mir Männer mit Bindungsängsten wie ein Sommerurlaub.«
    »Ich bin kein Mann mit Bindungsangst, ich habe nur noch nicht die Frau gefunden, an die ich mich binden möchte«, grinste ich sie an.
    Nathalie fand das nicht komisch. »Mein Lieber, der erste Schritt zur Besserung ist zu akzeptieren, dass man ein Problem hat.«
    »Wie sieht denn deine Erfolgsbilanz aus?«, fragte ich direkt. »Bist du in festen Händen? Hast du dauerhafte Beziehungen?«
    Sie sah mich an, als hätte ich gerade eine Grenze überschritten, die unserem Verhältnis unangemessen war.
    »Ich glaube, du verwechselst da was«, sagte sie nüchtern. »Ich bin deine Therapeutin und du mein Patient, nicht umgekehrt.«
    »Das mag in der Gruppe gelten«, meinte ich. »Aber hier bist du in meinem Laden und damit für mich eine Kundin.«
    Nathalie stemmte die Hände in die Hüften. »Na gut, dann zeig mir mal ein paar Teile aus deiner Kollektion«, drückte sie sich um eine Antwort.
    Ich kam um den Tresen herum und tat so, als würde ich ihre Figur zum ersten Mal mustern. »Ich würde dir zu transparenten Stoffen raten«, sagte ich in unverhohlener Vorfreude auf den Anblick von Nathalie in durchsichtigen Dessous.
    »Das könnte dir so passen«, machte sie mir wenig Hoffnung.
    »Einigen wir uns darauf, dass ich dir bei der Therapie vertraue und du dich hier auf meine Fachkenntnis verlässt, okay?«
    Mit dem Deal war sie einverstanden, und ich führte sie nach hinten zu den Unterkleidern. Ich nahm das schärfste Teil ehrfurchtsvoll von der Stange und reichte es ihr. Es war ein Killer aus zarter Kunstfaser, besetzt mit edler französischer Spitze und kleinen schwarzen  Samtschleifchen, und kostete so viel wie ein ganzer  Haufen Viagra-Pillen, wirkte jedoch bedeutend länger.
    Nathalie

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