Hosen runter: Roman (German Edition)
berührte den zarten Stoff und schien auf den ersten Blick verliebt. Ich geleitete sie zur Umkleidekabine und betete innerlich, dass sie vorhatte, mich mit diesem hauchdünnen Triumph der Schneiderkunst zu verführen. Ich hörte das Rascheln des Negligés, als sie sich umzog, und rieb mir die Augen.
»Stehst du da immer noch rum?«, fragte sie aus der Kabine.
»Das gehört bei mir zum Service, falls du ein anderesTeil anprobieren möchtest oder Fragen hast«, antwortete ich.
Nathalie ließ sich einen Moment Zeit, dann riss sie plötzlich den Vorhang auf. Sie war komplett angezogen. Und sauer auf mich. »Denkst du, ich merke nicht, was da bei dir und Thilo läuft?«, schnauzte sie mich an.
»Was meinst du?«, stammelte ich.
»Ich meine das, was man intrasexuelle Selektion oder auch Male-male Competition nennt«, antwortete sie zackig.
Ich kapierte kein Wort von ihren Fachausdrücken, aber verstand ohne Zweifel, dass ich auf der Anklagebank saß. »Wovon redest du?«, stellte ich mich dumm.
»Ich spreche von dem Spiel, das da zwischen euch beiden läuft«, sagte sie unnachgiebig. »Zwei Kerle kämpfen wie zwei Ochsenbullen um die Gunst des Weibchens und rammen sich dabei gegenseitig mit den Hörnern, bis einer am Boden liegt und verreckt.«
Nathalie hatte also geschnallt, dass ich mit dem Mäuserich einen Kleinkrieg um sie führte. Oder der Proll war so dämlich gewesen, es ihr letzte Nacht zu verraten? Ich war von Idioten umzingelt. Und sah mich einer cleveren Frau gegenüber, die mich heftig unter Beschuss nahm. »Ich habe nicht fünf Jahre studiert, um mich von dir aufs Kreuz legen zu lassen«, raunzte sie mich an.
»Warum stehe ich bei dir unter Dauerverdacht, alle Frauen aufs Kreuz legen zu wollen?«, war ich leicht entrüstet.
»Weil du zugegeben hast, nur mit deinem Schwanzzu denken. Schon vergessen?« Wie die meisten Frauen hatte sie belastendes Material immer im unpassendsten Moment parat.
»Offenkundig übersteigt es deine Vorstellungskraft, dass ich um dich kämpfe, weil ich mich in dich verliebt habe!«, antwortete ich mit einem Gegenvorwurf.
Sie stieß einen spöttischen Laut aus. »Nein, Tom! Du liebst nur dich selbst, und Frauen sind für dich bestenfalls Pokale. Und ich bin mir sicher, dass du schon eine ganze Vitrine voll davon hast.«
Niedergeschlagen ließ ich den Kopf sinken, hob ihn jedoch schnell wieder an, um meiner Henkerin mannhaft ins Auge zu sehen. »Nathalie, das mag für die bedeutungslosen Affären gelten, die ich gehabt habe, aber nicht für dich.«
Mehr hatte ich nicht zu bieten, aber es beeindruckte sie nicht. »Tom, in meinem Beruf habe ich es gemeinhin mit Männern zu tun, die entweder verklemmt sind oder jeden Eid schwören, um eine Frau ins Bett zu kriegen. Und für verklemmt halte ich dich nicht.«
»Na, das hört sich ja schon fast wie ein Kompliment an«, lächelte ich sie etwas bemüht an.
»Du bist schlichtweg unfähig, eine feste Bindung einzugehen. Akzeptier das endlich«, fuhr sie mich an. Dann stapfte sie zum Kassentresen und legte das Negligé ab. Ich dackelte ihr hinterher und griff gleich in den Kühlschrank, um mit einem kalten Wodka gegen diesen unerfreulichen Tiefpunkt unserer Beziehung anzutrinken. Ich goss mir ordentlich ein und kippte es vor ihren Augen runter.
»Hast du dich mal gefragt, warum du schon mittags trinkst?«, kam prompt die Reaktion.
Erst gestern Abend hatte ich ihretwegen geweint, jetzt wollte ich nur noch kotzen. Weiber konnten mich eigentlich alle mal am Arsch lecken, daran änderte auch der Alkohol nichts.
»Ich muss mir deinen Besuch gerade schöntrinken«, sagte ich.
»Ich will dich morgen in der Therapie sehen«, ermahnte sie mich.
»Was soll ich da noch?«, fragte ich.
»Die Hosen runterlassen«, antwortete sie ganz selbstverständlich. »Du wirst morgen vor mir und den anderen mal etwas erzählen, das dir emotional richtig nahe gegangen ist. Zum Beispiel von deiner schmerzhaftesten Erfahrung mit einer Frau.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Weil ich mir sicher bin, dass bei dir genau da der Hund begraben liegt«, fixierte sie mich. »Bei dir gab es jemanden, der dir wehgetan hat, und seitdem tust du alles dafür, dass es nicht noch einmal so weit kommt.«
Ich starrte an ihr vorbei auf die gegenüberliegenden Regale, in denen Strumpfhosen in Plastik verpackt lagen. Ich hätte am liebsten eine rausgenommen und mich daran in der Umkleidekabine aufgeknüpft, um für morgen eine glaubwürdige Ausrede zu haben, nicht
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