Hosen runter: Roman (German Edition)
Angst davor, Nathalie damit zu verlieren.
»Was ist los mit dir?«, fragte sie.
»Weiß nicht«, log ich sie an. »Bin irgendwie deprimiert.«
»Willst du darüber reden?«
»Lieber morgen in der Sitzung«, bat ich sie. »Ich mussnoch darüber nachdenken, was das für uns beide bedeutet.«
Nathalie sah mich ein paar Sekunden stumm an. »Aber lass uns wenigstens für heute Nacht so tun, als wären wir nicht Patient und Therapeutin, okay?«
Ganz beiläufig ließ sie die Bettdecke zur Seite gleiten, die ihre Brüste verhüllt hatte. Wie hätte ich diesem Angebot widerstehen sollen?
KAPITEL 16
Obwohl Nathalie frühmorgens wortlos aus meiner Wohnung verschwand, hatte sie mir in den letzten Wochen eine Sache sehr deutlich gemacht: Was Frauen anbetraf, so hatte ich vor ihr viel Meterware von der Stange kennengelernt, einsame Herzchen, die wahllos nach männlicher Gesellschaft suchten. Insofern konnte ich mir auf meine Eroberungen kaum etwas einbilden, und mein Erfolg bei diesen Frauen hatte vermutlich wenig mit mir persönlich zu tun. Manche von ihnen brauchten die nächste Verabredung wohl, um nicht an Langeweile einzugehen. Vielleicht waren sie nur dabei, möglichst viele Frösche zu küssen, in der Hoffnung, dass irgendwann ein Traumprinz dabei wäre? Und so rutschten sie von einer Enttäuschung in die nächste, was mich fast schon wieder mit ihnen verband, denn auch ich konnte mich in keine von diesen Affären richtig verlieben.
Erst Nathalie fesselte mich so sehr, dass ich ständig an sie denken musste. Sie ging mir nicht mehr aus dem Kopf, was einerseits schön war, andererseits eine gewisse Abhängigkeit mit sich brachte, mit der ich mich zunächst einmal schwer tat. Immer mehr realisierte ich, dass es tatsächlich die Frauen waren, die im Geschlechterkampf die Strippen zogen, während wir Männer indem Irrtum lebten, wir wären es, die die Frauen aufs Kreuz legten.
Die erste Stunde im Laden verbrachte ich damit, mich auf die Sitzung am Abend vorzubereiten. Ich puzzelte meine Sexualpartnerinnen der letzten Monate zusammen: Da hatte es so eine Art Russ-Meyer-Phase gegeben, in der ich plötzlich eine Vorliebe für voluminöse Brüste entwickelt hatte, was mir insgesamt drei Affären bescherte. Dann gab es den One-Night-Stand mit dieser Vera, die sich danach nie wieder blicken ließ. Insgesamt vier Frauen hatten mich in den Umkleidekabinen vernascht, von denen sich nur eine, Andrea, anschließend noch mehrmals mit mir traf. Dann war da diese kurz entschlossene Touristin aus Dublin, die zwei Nächte bei mir verbrachte. Und im Winter hatte ich etwas mit einer Redakteurin vom Fernsehen angefangen, die aber so viel arbeitete, dass sie nur am Wochenende Zeit hatte. Nach einigem Nachdenken fiel mir noch eine tätowierte Kellnerin aus einer Bar in Prenzlauer Berg ein, mit der ich betrunken im Bett gelandet war. Wir hatten versucht zu vögeln, aber es war nicht wirklich gelungen.
Ich notierte mir die Liste auf einem kleinen Spickzettel, falls ich von Frau Gassner so unter Druck gesetzt wurde, dass mir vor lauter Aufregung irgendwelche Abenteuer entfielen, was sie gegen mich verwenden könnte, indem sie mir unterstellte, schon völlig den Überblick über meine Affären verloren zu haben. Es schien mir angemessen, die Gruppensitzung ebensoprofessionell vorzubereiten wie ein geschäftliches Meeting, bei dem man sich für alle Eventualitäten mit Zahlen und statistischen Daten wappnete.
Wenn ich es geschickt anstellte, würde Nathalie mir meine exzessive Phase als Kompensation für die Ablehnung, die ich in meiner Jugend erfahren hatte, durchgehen lassen und mein Verhalten so deuten, dass ich mit siebenunddreißig all das nachholte, was ich als Teenager versäumt hatte. Was sie aber nur schwer schlucken würde, wäre die Geschichte vom Vortag. Natürlich wäre es schlauer von mir, es Nathalie zu verheimlichen, zumal ja gar nichts passiert war, doch wenn ich sie für mich gewinnen wollte, dann ging das nur, wenn ich komplett mit offenen Karten spielte.
Der Postbote kam und legte mir zwei Briefe auf den Kassentresen.
Ich öffnete zuerst den Umschlag einer französischen Dessousmarke und zog eine hübsch gestaltete Einladung heraus, in der ich mit Begleitung zur Präsentation ihrer neuesten Kollektion eingeladen wurde. Ich grinste übers ganze Gesicht. Dieses Ticket bedeutete, dass ich meinen Freunden ihre fiese Intrige heimzahlen konnte. Verdächtigerweise hatte mich keiner dieser Verräter seit zwei Tagen mehr
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