Hosen runter: Roman (German Edition)
Story.
»Ich kann über Frauen, die mir was bedeuten, nicht einfach so herfallen«, sagte ich und fühlte mich wie Ralph.
Nathalie sah mich an, als käme ich von einer heimlichen Geschlechtsumwandlung zurück. »Aber Tom, das passiert doch allen Männern mal!«, versuchte sie mich zu trösten. »Fast jeder hat ab und zu Erektionsprobleme.«
Ich hatte nichts von Erektionsproblemen erwähnt, und angesichts all meiner Schwächen, von denen sie ohnehin schon wusste, wollte ich jetzt nicht auch nochvor ihr dastehen wie jemand, der keinen hochbekam. »Das ist es nicht«, stellte ich also klar.
»Sondern?«, fragte sie und bot mir erneut den freien Platz neben sich an. Diesmal nahm ich ihre Einladung an. Ich lehnte mich gegen das Kopfende und starrte die gegenüberliegende Wand an.
»Du bist für mich eben mehr als nur ein Körper.«
»Und das irritiert dich? Dass eine Frau Körper, Geist und Seele ist?«
»Nein, denn ich suche ja nach einer vielschichtigen Frau und nicht nach einer, die nur ans Ficken denkt.«
»Also mir sind bisher keine Frauen begegnet, die ausschließlich an Sex denken«, verteidigte sie ihr Geschlecht.
Ich war drauf und dran, ihr mein Handy zu geben und auf Wahlwiederholung zu drücken, aber dummerweise konnte ich ausgerechnet dieses Gegenargument nicht bringen. Und mit einer Frau wie ihr im Bett war auch nicht der richtige Moment für Rechthaberei.
»Was ich sagen wollte, ist, dass meine Gefühle sich erst langsam mit meinem Sexualtrieb ausbalancieren müssen«, sagte ich.
Nathalie hob die Augenbrauen. »Hast du noch Wein da?«, bereitete sie sich offenkundig auf ein längeres Gespräch mit mir vor. Dann zog sie sich die Bettdecke über die Füße.
»Erträgst du mein Gefühlsleben nur betrunken?«, interpretierte ich ihren Wunsch nach mehr Alkohol.
»Ach, weißt du, Tom, manchmal frage ich mich, obes eine kluge Entscheidung von mir war, mein ganzes Berufsleben damit zu verbringen, mir die Probleme von Männern anzuhören.«
»Du hast viele Jahre dafür studiert, um den Männern zu helfen, eben diese Probleme zu lösen. Wäre doch schade, wenn das umsonst gewesen wäre«, antwortete ich, und sie zuckte mit den Schultern. Wenn ich heute Abend schon im Bett ein Versager war, dann wollte ich ihr wenigstens Trost spenden. »Was soll ich denn erst sagen? Ich gehe auf die Vierzig zu und habe mein halbes Leben damit verbracht, mir die Probleme meiner Kundinnen anzuhören. Aber im Gegensatz zu dir werde ich dafür nicht bezahlt.«
»Wenn du glaubst, dass Geld ein angemessenes Trostpflaster dafür ist, dann mach eine Praxis auf«, zeigte Nathalie mir einen Vogel.
»Na, wahrscheinlich bist du mit deinem beruflichen Wissen eine beliebte Gesprächspartnerin in deinem Bekanntenkreis, oder?«, mutmaßte ich.
»Du machst dir keine Vorstellung«, stimmte sie mir ernüchtert zu. »Als Frau verbringst du nämlich sowieso schon dein halbes Leben damit, dir die Probleme anderer Frauen anzuhören.«
»Ich nehme an, deine Freundinnen rufen bevorzugt nach deinem Feierabend an, um sich kostenlos von dir beraten zu lassen«, brachte ich ehrlich Verständnis für sie auf.
Nathalie winkte genervt ab. »Sei froh, dass du ein Mann bist! Ihr quatscht am Telefon ein paar Minuten über Fußball, Konzerte oder euren Job, das ist alles. Ichmuss mich aber bis tief in die Nacht von einem heulenden Elend terrorisieren lassen, dem der Kerl weggelaufen ist. Und das passiert öfter, als du denkst.«
»Ja, es hat auch Vorteile, wenn man emotional so unterentwickelt ist wie wir Männer«, zwinkerte ich ihr zu.
»Du solltest nicht noch stolz darauf sein«, ermahnte mich Frau Gassner.
Ich war wirklich alles andere als stolz darauf, wie der heutige Abend verlaufen war. Dass ich allen Ernstes darüber nachgedacht hatte, mich mit diesem Steinzeitweibchen zu vergnügen. Mein Verhalten hatte mich nachdenklich gemacht, und zwar nicht in Babysteps, sondern eher mit einem Arschtritt, den ich mir am liebsten selbst verpasst hätte. Denn wie sollte Nathalie mir jemals vertrauen können, wenn schon wegen einer einzigen Schnalle mein Verstand aussetzte?
Und mir war auch klar geworden, dass ich mit meiner Therapeutin darüber würde reden müssen, denn dort lag mein Problem. Anscheinend war ich mit siebenunddreißig immer noch damit beschäftigt, die Ablehnung durch Mädchen in meiner Schulzeit oder sonst irgendetwas zu kompensieren. Ich hatte keine Angst mehr davor, das offen in der Gruppe auszusprechen, dennoch hatte ich gewaltige
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