Hosen runter: Roman (German Edition)
angerufen, offenkundig standen sie im regen Austausch mit meiner Therapeutin und wussten Bescheid, dass sie aufgeflogen waren. Also würde ich den ersten Schritt machen und ihnen mitteilen, dass ich einen Platz bei einer Dessousmodenschau zu bieten hatte. Normalerweise wurde ich bei solchen Anlässen nach allen Regeln der Kunst von ihnen umgarnt.Wen auch immer von ihnen ich mitnehmen würde, er müsste sich schon etwas einfallen lassen, um mein Herz zu erweichen.
Als ich den zweiten Brief öffnete, blieb mir erst mal die Luft weg. Es war ein Schreiben der Hausverwaltung, in dem mir schmucklos mitgeteilt wurde, dass mein in neun Monaten auslaufender Mietvertrag für den Laden nicht mehr verlängert würde.
Wir teilen Ihnen dies frühzeitig mit, um Ihnen die Gelegenheit zu geben, sich rechtzeitig nach einem neuen Objekt umsehen zu können
Ich hätte kotzen können.
»Hermann, ich fliege aus meinem Laden raus«, sprach ich ihm auf die Mailbox. »Du musst mir helfen.« Mietrecht war nicht sein Fachgebiet, aber vielleicht kannte er jemanden, der mir weiterhelfen konnte, denn ich wollte meinen Pachtvertrag hier eigentlich um fünf weitere Jahre verlängern.
Ralph arbeitete zwar in einem Büro für Mieterschutz, aber mir wurde ja nicht fristlos gekündigt, sondern nur kein neuer Vertrag mehr angeboten. Rechtlich waren die Eigentümer damit auf der sicheren Seite, aber man wusste ja nie, welch absurde Klauseln sich in unseren Gesetzesbüchern verbargen, die mir gegen jeden gesunden Menschenverstand doch noch die juristische Chance gaben, mich hier auch in Zukunft breitzumachen.
Markus konnte vielleicht den Inhaber vom Kronach fragen, ob der einen klugen Ratschlag hatte, denn, soviel ich wusste, hatte er sich mehrfach erfolgreich dagegen gewehrt, aus seinen Räumlichkeiten herausgesetzt zu werden. Doch auch bei ihm ging nur die Mailbox ran, so dass ich mittlerweile überzeugt war, dass meine Freunde abgetaucht waren, weil sie meine Rache fürchteten. Dabei war ich dringend auf ihre Hilfe angewiesen.
Die SMS von Hermann kam erst kurz bevor ich das elende Gebäude der Therapiegruppe betrat: Treffen uns später bei Markus am Tresen. LG . Was war das? Hermann sandte niemals liebe Grüße in seinen Nachrichten, das stank gewaltig nach schlechtem Gewissen. Er wusste, dass ihn ein Scharfrichter erwartete, was seine Gemütslage nur unwesentlich von meiner unterschied, denn auch ich war auf dem Weg zu einem Schauprozess, bei dem mich unter Umständen ein Todesurteil erwartete. Auf jeden Fall würde Nathalie kaum vor Freude einen Purzelbaum machen, wenn sie hörte, dass ich mich um ein Haar wie eben jenes verschlagene Männchen verhalten hätte, für das sie mich hielt.
Nathalie sah heute besonders toll aus. Wie konnte man eine Frau eigentlich bei jedem Mal, das man sie sah, noch schöner finden? Angesichts ihrer berückenden Erscheinung kamen mir erneut Zweifel, ob es sinnvoll war, hier die Hosen runterzulassen. Es mochte ehrenwert und aufrichtig von mir sein, aber ein Nervenarzt hätte mir bei meinem Vorhaben wohl fortschreitenden Hirnschwund diagnostiziert.
Bevor ich unter irgendeinem Vorwand rausrannte, um einen der vielleicht größten Fehler meines Lebens zu vermeiden, setzte ich mich lieber schnell hin. Ralph sah mich fragend an. Eigentlich hätte ich ihm eine scheuern müssen, weil er mich reingelegt hatte. Bloß weil ich ein Freund sein wollte und ihm in seiner Verzweiflung hatte helfen wollen, hockte ich jetzt hier wie kurz vor der Hinrichtung, während er mit sich und der Welt verhältnismäßig im Reinen war.
»Tom, Sie wollten uns doch über diese Dame auf dem Laufenden halten, mit der Sie einen Gemeinsamkeitsabgleich vorgenommen haben«, ließ Nathalie keine Zeit verstreichen.
»Sie meinen diese von Bindungsängsten geplagte Frau, die mich um den Schlaf bringt?«, antwortete ich.
»Ist es so schlimm?«, fragte sie.
»Ihre Beziehungsunfähigkeit oder meine Schlaflosigkeit?«, hakte ich nach.
»Dafür, dass Ihre Nächte angeblich kurz sind, machen Sie mir aber einen ganz ausgeschlafenen Eindruck.«
»Ich werde ganz offen reden, weil ich hier gelernt habe, dass man nur Fortschritte erzielen kann, wenn man seine Probleme schonungslos anspricht«, begann ich.
Frau Gassner pflichtete mir mit einem Nicken bei und brachte ihren Schreibblock in Stellung. Ich konnte nur hoffen, dass sie mir die fünf Kilo Papier nicht wütend über den Kopf schlug, wenn sie die wahren Hintergründe unserer letzten Nacht erfuhr.
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