Hostage - Entführt
sagen ihm gar nichts.«
»Er wird Sie irgendwann danach fragen.«
Smith seufzte wieder.
»Mist.«
»Sie haben nette Kinder. Und Thomas ist wirklich was Besonderes.«
Smith schloss die Augen.
Talley beobachtete ihn und fragte sich, wodurch er ihn dazu bewegen könnte, ihm zu helfen. Er hatte schon mit hunderten von Tätern verhandelt, und immer war es darum gegangen rauszufinden, was sie hören wollten. Zu durchschauen, welche Knöpfe man drücken musste. Doch all das schien jetzt ewig weit weg, und Talley wusste nicht, was er sagen sollte. Er sah Jennifer und Thomas im Flur stehen und spürte einen so tiefen, unverfälschten Schmerz, dass er fürchtete zusammenzuklappen. Wenn er Jane und Amanda doch nur zurückhaben könnte! Er würde sie nie mehr gehen lassen.
Er klopfte Smith leicht auf den Arm.
»Ich hab keine Ahnung, wer Sie wirklich sind und was Sie angestellt haben, aber im Angesicht Ihrer Kinder sollten Sie sich anständig verhalten. Sie haben Ihre Familie zurückbekommen, Smith – alle sind gerettet. Helfen Sie mir jetzt, meine Familie zu retten!«
Smith sah zur Decke hoch und blinzelte heftig. Er schüttelte den Kopf und machte die Augen fest zu. Dann atmete er wieder tief durch und schaute auf seine Kinder.
»Mist.«
»Ja – Mist.«
Smith sah ihn an. Er hatte Tränen in den Augen.
»Auf den Disketten steht alles – Sie können alle hochgehen lassen.«
»Wer hat meine Familie entführt?«
»Bestimmt Glen Howell. Der sollte gestern Nachmittag zu mir kommen. Er ist Benzas Mann vor Ort.«
Talley griff sich ans Handgelenk.
»Mit goldener Rolex? Und braun gebrannt?«
Smith nickte.
Talley wurde aufgeregt. Jetzt hatte er endlich etwas Greifbares. Jetzt war er ihnen auf den Fersen. Jetzt konnte er loslegen.
»Gut, Smith – also Glen Howell. Er hat mich schon ein paar Mal angerufen, aber nun muss ich mich bei ihm melden. Wie erreiche ich ihn?«
Smith gab Talley Howells Nummer.
26
Samstag, 03:09
Talley
Talley verdoppelte die Bewachung für Smith und die Kinder und hetzte zum Auto zurück. Dort schloss er die Augen und versuchte, sich zu sammeln. Ich bin Verhandlungsführer in Krisenfällen, sagte er sich. Howell ist ein Täter. Amanda und Jane sind seine Geiseln. Ich hab so was früher schon gemacht. Ich kann das wieder machen. Ich ganz allein. Mit meinem Telefon.
Ich bring den Köter um!
Die Parkplatzbeleuchtung ließ alles blutrot wirken. Talley sah zum Himmel, doch aufgrund des hellen Lichts waren nur wenige Sterne zu erkennen. Aber die paar waren schon genug – sie schienen auch über Jane und Amanda. Und über Howell.
Als er wieder gleichmäßig atmete und seine Schultern nicht mehr so verspannt waren, stieg Talley ins Auto. Jetzt musste er selbstsicher und beherrscht klingen. Und die Lage unter Kontrolle bringen.
Er nahm das Nokia und wählte Howells Nummer. Dabei begann er, vor Anspannung zu zittern, konnte das aber unterdrücken. Wieder schloss er die Augen. Und atmete tief durch.
Der Rolex-Mann war beim zweiten Läuten am Apparat und klang schroff und verärgert.
»Ja?«
Talley sagte leise und ruhig:
»Raten Sie mal, wer hier ist.«
Howell erkannte seine Stimme. Talley merkte das an der Art des Schweigens, das seiner Reaktion vorausging.
»Woher haben Sie meine Nummer?«
»Ich sage nur zwei Worte: Glen Howell.«
»Sie Mistkerl.«
»Ich schätze, Sonny Benza dreht Ihnen den Hals um. Ich hab seine Steuerunterlagen. Ich hab Ihr FBI-Team. Ich hab Captain Martin. Ich hab Sie. Und ich hab Walter Smith.«
Howell wurde lauter.
»Und ich hab Ihre Scheißfamilie! Vergessen Sie das nicht!«
Talley beherrschte sich, denn er wusste: Wenn er die Ruhe bewahrte, bekäme Howell es noch stärker mit der Angst zu tun und würde vermuten, er führe etwas im Schilde. Und indem Howell das nur argwöhnte, würde er es schon für eine Tatsache halten. Talley war jetzt Howells einziger Ausweg – diesen Eindruck jedenfalls musste er ihm vermitteln.
»Wissen Sie, was Sie falsch gemacht haben? Wenn Sie einfach stillgehalten und die ganze Geiselnahme über die Bühne hätten gehen lassen, wenn Sie mich nicht reingezogen und ihre Gorillas nicht losgeschickt hätten, hätte ich nie davon erfahren. Die Disketten wären der Spurensicherung durch die Maschen geschlüpft, und für Benza hätte keine Gefahr bestanden. Aber jetzt haben Sie es mit mir zu tun.«
»Sie sind am Absaufen, Talley. Sie sind nur ein Dorfbulle ohne den kleinsten Durchblick. Sie sind dabei, Ihre Familie umzubringen.
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