Hostage - Entführt
sorg dafür, dass Kevin da hinten keinen Mist baut.«
Jennifer wartete nicht auf Mars, sondern ging allein in die Küche. Sie sah, dass Kevin sich im Wohnzimmer hinterm Sofa versteckt hatte, um die Terrassentür zu beobachten. Wäre der Garten doch voller Polizisten mit bissigen Hunden! Aber er war menschenleer. Das Wasser im Schwimmbecken war klar und reglos, und selbst die Luftmatratze, auf der sie vor kaum einer Stunde noch im Pool gelegen hatte, trieb keinen Zentimeter von der Stelle. War überhaupt Wasser im Becken? Oder ruhte die Matratze bewegungslos auf einem Luftkissen? Ihr Radio stand am Beckenrand, aber sie konnte es nicht hören. Wie schnell das alles gegangen war!
Jennifer öffnete den Schrank unter der Spüle. Mars trat ihn wieder zu.
»Was machst du da?«
Er ragte vor ihr auf, und sie hatte seinen Schritt direkt vor der Nase. Jennifer erhob sich langsam und stellte sich ganz gerade hin. Trotzdem war er gut dreißig Zentimeter größer und so nah, dass ihr der Nacken wehtat, als sie zu ihm hochsah. Schon wieder dieser saure Zwiebelgeruch. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht loszurennen.
»Ich hol mir einen Waschlappen. Danach mach ich den Kühlschrank auf und nehme Eis raus. Irgendwelche Einwände?«
Mars schob sich näher an sie ran. Sein Oberkörper streifte ihre Brustwarzen. Sie zwang sich dazu, nicht wegzusehen und nicht auszuweichen, doch ihre Stimme war heiser.
»Lass mich in Ruhe.«
Mars stierte mit leerem Blick auf sie runter, und es schien fast, als sähe er sie gar nicht. Ein ausdrucksloses Lächeln umspielte seine Lippen. Er wiegte sich hin und her und massierte mit dem Oberkörper sanft ihre Brüste.
Noch immer zwang sie sich, stehen zu bleiben. Sie riss sich aufs Neue zusammen und sagte deutlich:
»Lass mich in Ruhe!«
Das leere Lächeln franste aus, und sein Blick wurde klar, als sähe er sie nun wieder.
Sie öffnete die Tür unter der Spüle erneut, ohne auf seine Reaktion zu warten, griff sich einen Lappen und ging zum Kühlschrank rüber, einem schwarzen Ungetüm, das unten eine Tiefkühllade hatte. Die zog sie auf und schaufelte Eis in den Waschlappen. Das meiste fiel auf den Fußboden.
»Ich brauch eine Schüssel.«
»Dann hol dir eine.«
Als sie die Schale holte, ging Mars ins Wohnzimmer und fragte Kevin, ob er irgendwas gesehen habe. Sie konnte seine Antwort nicht hören.
Jennifer entschied sich für eine grüne Plastikschüssel und sah dann das Schälmesser auf der Küchentheke liegen. Damit hatte sie vorhin Zwiebel für den Thunfisch geschnitten. Sie sah schnell zu Mars rüber, aber der war noch bei Kevin. Sie hatte fürchterliche Angst, sie würden es merken, wenn sie nach dem Messer langte. Und selbst wenn ich das Messer hätte, dachte sie dann – was könnte ich damit anfangen? Sie waren älter und stärker. Jennifer schaute noch mal kurz hoch. Mars stierte zu ihr rüber. Sie wandte den Blick ab, sah aber aus dem Augenwinkel, dass er bei Kevin blieb. Ihre Shorts hatten keine Taschen, und ihr Bikini-Top war zu knapp geschnitten, um das Messer darin zu verbergen. Selbst wenn sie es nähme – was dann? Angreifen? Tolle Idee! Mars kam wieder zurück. Ohne nachzudenken, stieß sie das Messer hinter Moms Küchenmaschine, die auf der Theke stand.
»Wofür brauchst du so lange?«
»Ich bin fertig.«
»Warte.«
Mars öffnete den Kühlschrank, nahm ein Bier raus, drehte den Verschluss ab und trank. Dann nahm er noch eine Flasche und deutete damit auf Jennifer.
»Auch eins?«
»Ich trinke kein Bier.«
»Mommy merkt's ja nicht. Im Moment kannst du machen, was du willst, und Mommy kriegt's nicht mit.«
»Ich will wieder zu meinem Vater.«
Sie folgte ihm zurück ins Arbeitszimmer. Dort gab Mars Dennis, der am Fenster stand, das andere Bier. Jennifer ging zu Thomas, der neben dem Schreibtisch bei ihrem Vater hockte. Sie schaufelte Eis aus der Schüssel in den Waschlappen und presste den provisorischen Eisbeutel auf die Wunde ihres Vaters. Als der stöhnte, zuckte sie zusammen.
Thomas rutschte näher heran und sprach so leise, dass sie ihn kaum verstehen konnte.
»Was passiert jetzt?«
Mars' Stimme fuhr schneidend durchs Zimmer:
»Schnauze!«
Er stierte Jennifer an. Langsam glitt sein Blick über ihren Körper. Sie wurde wieder rot und zwang sich, sich auf ihren Vater zu konzentrieren. Ihr war klar, dass Mars mit ihr spielte. Wie vorhin.
Das Telefon klingelte.
Alle sahen auf den Apparat, aber niemand rührte sich. Das Läuten wurde immer lauter und
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