Hostage - Entführt
mit dem Revolver aus und schlug dem Mann gegen die Schläfe. Das klang satt und dumpf. Er kippte wie ein Sack seitwärts zu Boden.
»Nein!«
Ohne zu überlegen, stürzte Jennifer auf Dennis los und schubste ihn weg.
»Lass ihn in Ruhe!«
Sie fiel neben ihrem Vater auf die Knie. Der Lauf hatte ihm am Haaransatz schräg oberhalb des rechten Auges eine üble Wunde zugefügt, aus der das Blut stoßweise austrat. Die Verletzung begann sofort anzuschwellen.
»Daddy? Daddy – wach auf!«
Er reagierte nicht.
»Daddy, bitte!«
Die Augen ihres Vaters zuckten wirr hinter geschlossenen Lidern, und er zitterte.
»Daddy!«
Sie begann zu weinen und hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Der Albtraum hatte begonnen.
3
Freitag, 15:51
Talley
Talley wollte bei Welch bleiben, hatte dafür aber nicht die Zeit. Er musste die Lage stabilisieren und herausfinden, was im Haus vor sich ging. Er forderte einen zweiten Rettungswagen an, der bereitstehen sollte, falls es weitere Verletzte gab, stieg wieder in sein Auto, fuhr in die Sackgasse zurück und parkte seinen Wagen so dicht hinter dem Fahrzeug von Anders, dass die Stoßstangen gegeneinander krachten. Dann schlüpfte er aus dem Auto, kauerte sich wieder hinter sein Vorderrad und rief zu Anders und Jorgenson hinüber: »Larry, Jorgy, hört mal.«
Die beiden jungen Männer würden als Bautischler oder Vertreter arbeiten, wenn sie nicht Polizisten in einer Gemeinde am Stadtrand von Los Angeles wären. Sie hatten nie etwas erlebt, das mit dem, was sich jetzt im Castle Way entwickelte, auch nur annähernd vergleichbar gewesen wäre. Genauso wenig wie die anderen Mitarbeiter von Talley. Sie hatten nie ihre Waffe gezogen und nie einen Schwerverbrecher verhaftet.
»Wir müssen die Häuser rundum räumen und die Nachbarschaft abriegeln. Ich will, dass alle Zufahrtsstraßen gesperrt werden.«
Anders nickte stürmisch, aufgeregt und verängstigt.
»Nur die Zufahrt zur Sackgasse?«
»Alle Straßen nach York Estates. Fahr mit Welchs Wagen zur Einmündung zurück und geh dann von Haus zu Haus. Und zwar hintenrum. Notfalls musst du über Mauern klettern. Hol alle Bewohner durch die Gärten raus. Von diesem Haus aus darf man weder dich noch die Nachbarn sehen – bleibt also unbedingt in Deckung.«
»Und wenn die Leute nicht mitkommen wollen?«
»Die werden tun, was du sagst. Aber lass niemanden durch die Vordertür gehen. Fang mit dem Haus hinter uns an. Vielleicht ist dort jemand verletzt.«
»Alles klar, Chief.«
»Erkundige dich, wer in dem Haus vor uns wohnt. Das müssen wir wissen.«
»Mach ich.«
»Und noch was. Vielleicht sind nicht alle Täter in dem Haus, sondern laufen hier noch irgendwo rum. Sorg dafür, dass die Kollegen die Straßen in der Nachbarschaft abklappern und allen Leuten einschärfen, sie sollen aufpassen.«
Anders huschte geduckt zu Welchs Streifenwagen – dem vorderen der drei Autos –, zog einen engen Wendekreis, gab kräftig Gas und fuhr zur Straßenecke zurück.
In jeder Krisensituation waren die ersten Minuten die schlimmsten. Am Anfang wusste man fast nie, worum es ging, und das Unbekannte konnte tödlich sein. Talley musste herausfinden, mit wem er es zu tun hatte und wer da drin in Gefahr schwebte. Gut möglich, dass alle drei Täter im Haus waren – aber wie sollte er das wissen? Vielleicht hatten sie sich aufgeteilt. Oder schon alle Leute drin getötet. Oder die Bewohner ermordet, auf die Straße gefeuert und sich dann umgebracht. Möglich, dass Jeff Talley auf ein Totenhaus blickte.
Er nahm Funkverbindung zu den anderen Streifenwagen auf.
»Hier Talley. Macht die Frequenz frei und hört zu! Jorgenson und ich sind momentan vor dem Haus Castle Way 18 in York Estates. Anders evakuiert gerade die Bewohner der umliegenden Häuser. Dreyer und Mikkelson sind auf der Rückseite des Grundstücks, also in der Flanders Road, und zwar in der Nähe des roten Nissan Pick-up. Wir gehen davon aus, dass mindestens einer von denen, die Junior Kim und Mike Welch niedergeschossen haben, hier im Haus ist. Sie sind bewaffnet. Wir brauchen ihre Personalien. Hat Welch das Autokennzeichen des Pick-ups überprüfen lassen?«
Mikkelson meldete sich: »Chief, hier Wagen zwei.«
»Ja, Wagen zwei?«
»Der Pick-up ist auf Dennis James Rooney zugelassen, einen Weißen, 22 Jahre alt. Er hat eine Adresse in Agua Dulce angegeben.«
Talley zog seinen Notizblock aus der Tasche und schrieb sich den Namen auf. Utopisch, einen Streifenwagen zu
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