Hostage - Entführt
sich damit auskennen. Wie der Mann aussah, gefiel ihm gar nicht, doch er sagte nichts dazu, weil es nichts zu sagen gab.
»Wir legen ihn aufs Sofa. Da hat er's bequemer.«
»Er braucht einen Arzt.«
»Er schläft nur. Wer eins auf den Kopf kriegt, muss sich gesund pennen. Mehr ist da nicht. Mein Alter hat mich viel schlimmer vermöbelt.«
Dennis befahl Kevin, mit anzufassen, als sie ihn aufs Sofa hoben.
Als Mars zurückkam, schickte Dennis ihn und Kevin mit den Kindern nach oben. Er hatte es satt, über sie nachzudenken. Er hatte es satt, über irgendetwas nachzudenken. Außer über das Geld. Er musste einen Fluchtweg finden.
Jennifer
Mars machte ihre Zimmertür auf. Er war aus der Garage mit Verlängerungsschnüren, Isolierband, Hammer und Nägeln zurückgekommen. Zwei Kabel gab er Kevin.
»Die bleibt hier. Fessle sie an den Stuhl, und zwar richtig. Auch die Füße. Ich kümmere mich um die Fenster und die Tür, wenn ich mit dem Jungen fertig bin.«
Mars sah sie mit abwesenden Augen an, als erwachte er gerade und fühlte sich durch sie an eine Gestalt aus einem Traum erinnert.
»Ich prüf die Fesseln, wenn ich zurückkomme.«
Mars zog Thomas weg, und Kevin führte Jennifer in ihr Zimmer. Das Licht brannte, denn sie machte ihre Lampen nie aus. Sie schlief bei Licht ein (mal am Telefon, mal vor dem Fernseher) und wachte bei Licht auf und dachte nie daran, es auszuschalten, wenn sie ihr Zimmer morgens verließ. Die Jalousien waren runtergelassen, und das Telefon lag auf dem Fußboden an der Wand – mit kaputtgetretenem Stecker, damit es nicht mehr benutzbar war. Kevin zog ihren Schreibtischstuhl in die Mitte des Zimmers. Ängstlich vermied er Augenkontakt.
»Lass es einfach über dich ergehen, dann passiert dir nichts. Musst du aufs Klo?«
Diese Frage war ihr peinlich. Sie musste so dringend, dass ihr die Blase wehtat.
»Es ist da drüben.«
»Was? Du hast ein eigenes Bad?«
»Ja. Gleich die Tür hier.«
»Na dann los.«
Sie rührte sich nicht.
»Du darfst nicht mit rein.«
Er stand wartend in der Badezimmertür.
»Ich lass dich nicht ohne Aufsicht.«
»Und ich geh nicht vor deinen Augen aufs Klo.«
»Willst du dir lieber in die Hose machen?«
»Ich lass dich nicht zugucken. Ich hab nichts Gefährliches da drin, falls du dir deshalb Sorgen machst.«
Er wirkte verärgert, aber das war ihr egal. Er ging ins Bad, sah sich um und kam wieder raus.
»Na gut – ich geh nicht mit rein, aber die Tür bleibt offen. Ich stell mich hierhin – dann kann ich dich nicht sehen.«
»Aber hören!«
»Also – geh oder geh nicht, mir egal. Wenn nicht, pflanz deinen Hintern auf den Stuhl, bevor Mars zurückkommt.«
Jennifer hatte einen solchen Druck auf der Blase, dass sie auf die Toilette ging. Sie bemühte sich, dabei ganz leise zu sein, hatte aber das Gefühl, einen Höllenlärm zu machen. Als sie fertig war, kam sie so verlegen zurück, dass sie jeden Blickkontakt vermied.
»Du bist widerlich.«
»Meinetwegen. Setz dich auf den Stuhl und leg die Hände hinter die Lehne.«
»Warum schließt du mich nicht einfach ein? Ich kann doch sowieso nirgendwohin.«
»Entweder ich fessle dich, oder Mars macht das.«
Sie setzte sich verkrampft und misstrauisch auf den Stuhl.
Kevin hatte zwei lange, schwarze Verlängerungskabel. Jennifer zuckte zusammen, als er sie berührte, doch er behandelte sie nicht grob und verdrehte ihr auch nicht die Arme.
»Ich will nicht zu fest anziehen, aber fesseln muss ich dich. Mars kontrolliert das.«
In seiner Stimme lag ein Bedauern, das sie überraschte. Sie wusste, dass Kevin Angst hatte, aber jetzt fragte sie sich, ob ihm peinlich war, was er und die beiden anderen taten. Vielleicht hatte er ja sogar Gewissensbisse. Inzwischen war er mit ihren Handgelenken fertig und hockte sich vor sie, um ihre Knöchel an die Stuhlbeine zu binden. Sie beobachtete ihn dabei. Wenn ich mich mit einem von denen anfreunden kann, dann mit ihm, dachte sie.
»Kevin?«
»Was?«
Sie redete leise, denn sie fürchtete, dass Mars es hörte.
»Du bist hier genauso gefangen wie ich.«
Sein Gesicht verfinsterte sich.
»Ich hab euch drei reden hören. Du bist der Einzige, dem anscheinend klar ist, dass ihr es immer noch schlimmer macht, je länger ihr hier bleibt. Dennis kapiert das nicht.«
»Red nicht über Dennis.«
»Warum machst du noch mit?«
»So ist das nun mal, und fertig. Hör auf.«
»Mein Vater braucht einen Arzt.«
»Der ist nur k.o. gegangen. Das ist mir auch schon
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