Hostage - Entführt
der Tür schießen wollen; Mars habe gelogen, als er behauptete, der Bulle habe seine Waffe gezogen; Mars habe zuerst geschossen. Vielleicht war an Talleys Worten ja was dran: Vielleicht würde er freigesprochen, falls nicht er, sondern Mars den Polizisten angeschossen hatte. Wenn Kevin ihn unterstützte, konnten sie womöglich für ihre Aussagen gegen Mars mit dem Staatsanwalt mildernde Umstände aushandeln. Dennis spürte eine verzweifelte Hoffnung, aber dann fiel ihm das Geld ein. Wenn er einen Handel abschloss, musste er darauf verzichten. Er schob das Telefon beiseite und ging wieder zu den anderen. Er war nicht bereit, das Geld sausen zu lassen.
Kevin sah ihn gespannt an.
»Kriegen wir den Hubschrauber?«
»Nein. Wir müssen einen anderen Weg hier raus finden. Lass uns suchen gehen.«
Jennifer und ihr fetter Bruder knieten noch immer neben ihrem Vater. Sie legte sofort los.
»Du findest sowieso keinen! Hilf gefälligst meinem Vater!«
Sie presste den Waschlappen noch immer an seine Stirn, doch das Eis war inzwischen geschmolzen und der Lappen klatschnass. In Dennis blitzte Ärger auf.
»Schnauze, ja! Ihr seid meine Geiseln, falls du das noch nicht gemerkt hast.«
Ihr Gesicht zuckte.
»Du beglotzt dich doch nur selbst im Fernsehen. Du hast ihn verletzt. Sieh ihn dir an! Er braucht einen Arzt!«
»Schnauze!«
»Er liegt seit Stunden so da!«
»Tu mehr Eis in den Lappen.«
»Eis hilft nichts!«
Der fette Junge fing an zu weinen.
»Er liegt im Koma!«
Das Mädchen überraschte ihn. Mit der plötzlichen Wut eines Springteufels kam sie auf die Beine und stapfte zur Tür.
»Ich hol jetzt einen Arzt!«
Dennis hatte das Gefühl, er stehe neben sich. Als werde ihm der Ernst der Lage – die Bullen rund ums Haus, in dem sie in der Falle saßen – jetzt erst bewusst. Er schnappte sich Jennifer mit zwei Schritten und schlug sie, wie sein Vater seine Mutter – das kreischende Miststück – immer vermöbelt hatte. Er verpasste dem Mädchen mit voller Wucht eine saftige Ohrfeige und schickte es auf die Bretter. Der fette Junge rief »Jennifer!«, ging auf Dennis los und trommelte wie ein wütender Zwerg auf ihn ein. Dennis grub ihm die Finger ins Nackenfett, und der Junge schrie. Dann schob Kevin ihn beiseite.
»Hör auf damit!«
Kevin stieß den fetten Jungen zu seiner Schwester auf den Boden und stellte sich zwischen die beiden und Dennis.
»Hör auf, Dennis. Bitte!«
Der sah rot. Er wollte Kevin umhauen, sein Gesicht zu Klump schlagen und ihn zu Brei trampeln. Er wollte den fetten Jungen und das Mädchen zusammenprügeln, das Geld in den Jaguar schmeißen, aus der Garage brettern und sich den ganzen Weg nach Mexiko freiballern.
Mars stierte ihn an. Sein Gesicht lag im Dunkeln, doch in seinen Augen glommen winzige Funken eines fremden Lichts. Als würden Frettchen aus Höhlen hervorstarren.
Dennis schrie ihn an: »Was ist los?«
Mars setzte sein stilles Lächeln auf und schüttelte den Kopf.
Schwer atmend trat Dennis ein paar Schritte zurück. Alles ging in die Brüche. Er blickte wieder auf den Bildschirm und erwartete fast, die Bullen das Haus stürmen zu sehen, doch draußen war alles wie zuvor. Das Mädchen hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Der fette Junge fixierte ihn mit hasserfüllten Augen, als wollte er ihm die Kehle durchschneiden. Der Vater atmete laut durch die Nase. Dieser Druck machte Dennis allmählich verrückt.
»Wir müssen was mit ihnen tun«, sagte er. »Sonst halt ich's nicht aus.«
Mars kam schwerfällig auf die Beine. Er war riesig. Und abstoßend.
»Fesseln wir sie doch. Dann müssen wir uns keine Gedanken um sie machen. Das hätten wir schon lange tun sollen.«
Dennis wies mit dem Kopf auf das Mädchen und sagte zu Kevin:
»Mars hat Recht. Wir dürfen die beiden nicht weiter so rumlaufen lassen. Die stören nur. Such was, um sie zu fesseln, und bring sie nach oben.«
»Womit soll ich sie denn fesseln?«
»Sieh in der Garage nach. Und in der Küche. Oder Mars, such du was Passendes – du weißt, was wir brauchen. Der Knallkopf hat ja keine Ahnung von gar nichts.«
Mars verschwand Richtung Garage. Kevin fasste das Mädchen so am Arm, als fürchtete er, sie werde ihn schlagen, aber sie stand auf, ohne sich zu wehren. Ihr Gesicht zuckte, und sie weinte noch mehr.
»Und mein Vater? Du kannst ihn doch nicht einfach so liegen lassen.«
Ihr Vater fühlte sich kalt an. Alle paar Sekunden durchlief ihn ein Zittern. Dennis fühlte ihm den Puls, als würde er
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