Hot History Collection - History Romance im Doppelpack (German Edition)
wollen."
Tom schüttelte ungläubig den Kopf. Er kannte Wilde, die beiden hatten sich hin und wieder in einem der zahlreichen Herrenklubs der Stadt getroffen und angeregt über politische und gesellschaftliche Themen diskutiert. Bei einem dieser Treffen hatte der Schriftsteller ihm auch eines seiner Werke geschenkt, welches schon damals kritisiert worden war, weil es einige Passagen enthielt, die als homoerotische Anspielungen ausgelegt werden konnten. Laut sagte Tom:
„Das ist doch alles Wahnsinn! Weder Simon noch ich haben ein Verbrechen begangen. Wir zahlen unsere Steuern, wir verhalten und unauffällig und wir tun niemandem etwas zu Leide. Warum verfolgt man uns?"
John zuckte mit den Achseln.
„Ich weiß es nicht, Lord Thomas. Was ich aber weiß ist, dass es unserer Sache zuträglich wäre, wenn Sie London verlassen, bis ein Urteil gefällt wurde. Ganz sicher wird man Sie beobachten und nur darauf warten, dass Sie einen Fehler machen und sich verraten. Dieser Francis Green, der Simon bei der Polizei angezeigt hat, wollte in erster Linie Ihnen schaden und nicht Mr. Westville."
„Ich kann doch Sarah jetzt nicht alleine lassen in ihrem Zustand und mich wie ein Feigling irgendwo verkriechen. Simon wird denken, dass ich ihn ans Messer liefern will."
„Mr. Westville denkt nichts dergleichen, glauben Sie mir. Ich habe mir erlaubt, mit ihm zu sprechen und er ist in dieser Sache ganz meiner Meinung. Und was Ihre Frau angeht: Ich werde mich um sie kümmern. Sie haben mein Wort."
Tom musste einsehen, dass er nichts für Simon tun konnte. Diese Hilflosigkeit machte ihn fast wahnsinnig, aber entschied sich, nur das Nötigste zusammenzupacken und bereits am nächsten Morgen in Richtung Norden aufzubrechen. Sarah fiel der Abschied sichtlich schwer, aber sie versprach, gemeinsam mit Mr. Miller dafür zu sorgen, dass Simon einen fairen Prozess erhielt.
Seine Familie besaß ein geräumiges Cottage an der schottischen Grenze.
Tom war nur froh, dass sein Vater von dieser schmutzigen Angelegenheit nichts mehr mitbekam. Am Morgen war ihm ein Telegramm überreicht worden, in dem der Anwalt des Earls ihn von dessen Tod unterrichtete. Der alte Mann war friedlich eingeschlafen und Tom wusste, dass er in dem Glauben starb, es wäre ihm gelungen, seinen Sohn zu einem besseren Menschen zu machen.
Auch wenn Tom es selbst nicht erwartet hatte: Der Anblick seines sterbenden Vaters war ihm sehr Nahe gegangen. Nun war er selbst Earl of Lancaster und erbte ein riesiges Vermögen, das es zu verwalten galt. Das erste Mal in seinem Leben spürte er die Last der Verantwortung, die nun auf seinen Schultern ruhte. Er musste die Beerdigung seines Vaters organisieren und die Nachlassangelegenheiten regeln. Gleichzeitig war er gezwungen, seine Heimatstadt auf unbestimmte Zeit zu verlassen und musste vielleicht sogar in Kauf nehmen, die Geburt seines Kindes nicht mitzuerleben. Doch den größten Kummer und immerwährende Gewissensbisse bereitete ihm der Gedanke an Simon, der vermutlich bald eine Zuchthausstrafe absitzen musste. Miller schätzte das zu erwartende Strafmaß auf ein bis zwei Jahre.
Simon war es nicht gewohnt, schwere Arbeiten zu leisten. Er war genau wie Tom ein Feingeist, ein Ästhet und ein Mensch, dem seine persönliche Freiheit wichtiger war als alles andere. Wie um alles in der Welt sollte es Simon gelingen, mit den Entbehrungen und den rauen Sitten in einer der berüchtigten Haftanstalten umzugehen? Noch schmerzlicher war für Tom jedoch der Gedanke, Simon könnte ihn für seine Verhaftung verantwortlich machen und glauben, er wolle sich nun heimlich aus dem Staub machen. Mr. Miller hatte zwar behauptet, Simon habe es befürwortet, dass er die Stadt verließe, doch vielleicht war das eine Lüge, um ihn zu beruhigen.
Tom musste in dieser Sache Gewissheit haben, daher hatte er dem Anwalt einen Brief für seinen Mandanten mitgegeben. Tom hoffte inständig, dass dieser Simon erreichen und er ihn lesen würde. Und vielleicht würde es Miller ja doch gelingen, Tom vor einer Verurteilung zu bewahren.
„Recht und Unrecht - Schuld und Sühne"
London, September 1895
„Nun machen Sie sich nicht lächerlich, Mr. Miller! Niemand wird mich erkennen und ich bin es Simon schuldig, zumindest zu seiner Gerichtsverhandlung zu erscheinen. Es ist allein meine Schuld, dass er im Gefängnis sitzt. Francis wollte sich an mir rächen und weil ihm das nicht auf direktem Weg gelang, hat er sich Simon als Opfer ausgesucht."
John
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