Hot Summer
hat dir ein paar Geschichten erzählt, stimmt’s?“
„Ein paar, ja.“
„Und du lässt mich trotzdem zu Besuch kommen? Du bist eine sehr, sehr mutige Frau.“
Ich hatte einige Geschichten über Alex Kennedy gehört, aber ich war zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den meisten um Übertreibungen handelte. Die Mythologie einer Jugendfreundschaft, da wurde die Vergangenheit im Laufe der Zeit glorifiziert. „Okay, wenn nur die Hälfte von dem, was er mir erzählt hat, stimmt: Was ist mit dem Rest?“
„Einiges davon ist vielleicht auch wahr“, sagte Alex. „Sag mir eins, Anne. Willst du mich wirklich in deinem Haus haben?“
„Bist du wirklich ein Frechdachs?“
„Ein ziemlich abgerissener. Mich zieht es immer wieder an den Abgrund.“
Er brachte mich überraschend zum Lachen. Ich war mir eines gewissen Untertons bewusst, ein leises Flirten, das er mir anbot und auf das ich einging. Ich schaute in die Küche, wo James das Geschirr abtrocknete. Er schenkte mir überhaupt keine Aufmerksamkeit und kümmerte sich nicht um mein Gespräch mit seinem Freund. An seiner Stelle hätte ich gelauscht.
„Das ist so mit den Freunden von James.“
„Wirklich? Aber ich wette, James hat keine Freunde, die so sind wie ich.“
„Frechdachse? Nein, das stimmt wohl. Es gibt ein paar Schurken und den einen oder anderen Idioten. Aber keine anderen Frechdachse.“
Ich liebte sein Lachen. Es war warm, einfach und gefühlsduselig. Erneut knisterte und knackte es in der Leitung. Ich hörte ein paar Fetzen Musik und das Murmeln von Stimmen, aber ich konnte nicht sagen, ob es in Alex’ Hintergrund war oder zwischen unser Gespräch funkte.
„Wo bist du, Alex?“
„In Deutschland. Ich besuche ein paar Freunde, bleibe noch einen Tag und fahre dann weiter nach Amsterdam. Danach London. Von dort werde ich dann in die Staaten fliegen.“
„Sehr kosmopolitisch“, sagte ich ein bisschen neidisch. Ich war bisher nicht über die Grenzen von Nordamerika hinausgekommen.
Alex’ Lachen klang rau. „Ich lebe aus dem Koffer und habe einen so heftigen Jetlag, dass ich mich betrunken fühle. Ich würde für ein Sandwich mit Mortadella und Mayonnaise töten.“
„Willst du mein Mitgefühl wecken?“
„Schamlos von mir, nicht wahr?“
„Ich werde mich darum kümmern, dass wir genug Weißbrot und Mortadella haben, wenn du kommst“, sagte ich. Die Aussicht auf Alex’ Aufenthalt in unserem Haus schien mir plötzlich nicht mehr so erschreckend wie zuvor.
„Anne“, sagte Alex nach kurzem Zögern, „du bist wahrhaftig eine Göttin unter den Frauen.“
„Ja, das sagt man über mich.“
„Im Ernst. Sag mal, kann ich dir irgendwas aus Europa mitbringen?“
Der Gang unseres Gesprächs überraschte mich. „Ich will nichts!“
„Schokolade? Weißwürste? Rübensaft? Was du nur willst. Allerdings werde ich eventuelle Probleme bekommen, wenn ich versuche, Heroin, Marihuana oder Prostituierte aus Amsterdam einzuschmuggeln, also wünsch dir lieber etwas Legales.“
„Wirklich, Alex, du musst mir nichts mitbringen.“
„Natürlich muss ich nicht, aber ich möchte es gerne. Wenn du mir nicht sagst, was du willst, werde ich James fragen.“
„Ich würde sagen, Rübensaft“, erklärte ich. „Ich bin mir aber nicht sicher, was das ist … Kommt es aus einer Mosterei?“
Er kicherte. „Es ist Sirup und man kauft es in Gläsern.“
„Dann bring mir das mit.“
„Oh, eine Frau, die gerne gefährlich lebt. Kein Wunder, dass Jamie dich geheiratet hat.“
„Dafür gibt es mehr als einen Grund“, sagte ich.
Mir fiel auf, dass ich stehen geblieben war, während ich mit Alex plauderte. Er hatte mich so für sich eingenommen, dass ich nicht das Bedürfnis hatte, noch etwas anderes zu machen. Erneut schaute ich in Richtung Küche, aber James war inzwischen verschwunden. Ich hörte das Murmeln des Fernsehers, der im Wohnzimmer stand.
„Es tut mir leid, dass ich es nicht zu eurer Hochzeit geschafft habe. Ich habe gehört, es war ein Wahnsinnsspaß.“
„Hast du? Von James?“
Eine dumme Frage. Von wem hätte er sonst davon hören sollen? Komisch nur, dass James mir gegenüber nie erwähnte, dass er mit Alex Kontakt hatte. Er sprach zwar regelmäßig über seinen besten Freund aus Schulzeiten, doch über den Grund für ihr Auseinandergehen hatte er nur vage Andeutungen gemacht. Er hatte andere Freunde … aber wir standen kurz davor, zu heirateten, und ich habe die Angewohnheit, immer alles in Ordnung bringen zu wollen.
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