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Hot Summer

Hot Summer

Titel: Hot Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Hart
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wissen, dass es etwas mit den nächtlichen Telefonanrufen und den Tränen meiner Mutter zu tun hatte, aber ich wusste nicht, was es war. Alles, was ich wusste, war, dass wir nicht darüber reden sollten, dieses mysteriöse „Etwas“, das uns alle auseinanderriss. Es war ein schrecklicher Sommer, und ich erinnerte mich an alle Ereignisse mit erschreckender Klarheit.
    Mein Dad war immer fröhlich gewesen, doch jetzt wurde er zu einer Parodie jenes Dads, den wir aus „guten Zeiten“ kannten, wenn er sich mit seinen Töchtern auf dem Fußboden balgte, ob sie wollten oder nicht. Er brachte riesige Mengen Eiscreme mit nach Hause, die unterwegs halb geschmolzen war, weil er noch einen Zwischenstopp auf dem Heimweg einlegte, um etwas zu trinken. Er weckte uns samstags bei Sonnenaufgang, um zum Angeln zu fahren, oder er ließ uns lange aufbleiben, damit wir im Garten Glühwürmchen fangen konnten. Er war schon immer ein Trinker gewesen – es gab genug Fotos, die das bewiesen. Aber in jenem Sommer war er nie ohne sein Glas mit Tee anzutreffen, der mit einem ordentlichen Schuss Whiskey versetzt war. Die Flasche stand immer im Küchenschrank. Mary und Claire waren zu jung, um das mitzubekommen, aber Patricia und ich zählten mit. Je häufiger unser Dad in die Küche ging, umso lauter wurde er. Und umso leiser wurde Mom.
    Ich wollte nicht mit meinem Vater im Boot rausfahren, aber ich wusste nicht, wie ich ihm das beibringen sollte. Ich angelte nicht gerne. Mir gefiel es nicht, die zappelnden Würmer auf den Haken zu spießen, und mir gefiel nicht, wie sich das Boot von einer Seite auf die andere legte. Ich mochte es nicht, in der Sonne zu braten, die es immer irgendwie schaffte, mich dort zu verbrennen, wo ich mich nicht eingecremt hatte. Ich wollte zu Hause bleiben und meine Nancy-Drew-Krimis lesen. Aber wenn mein Vater mich frühmorgens wachrüttelte, stieg ich gehorsam aus dem Bett, zog mich an und begleitete ihn.
    Nie hatte ich irgendwem von dem Tag erzählt, als der Sturm aufkam und mein Vater fast unser Boot zum Kentern brachte. Bis Alex kam. Wie die leeren Flaschen, die wir im Müll versteckten, und die Türen, die verschlossen blieben, um das Brüllen zu dämpfen, war es eine weitere Sache, über die ich nie sprach.
    Zwei Tage nach jenem Gewittersturm auf dem See verschwand meine Mutter. Sie nahm Claire mit, die mit zwei Jahren zu jung war, um zurückzubleiben. Meine Mutter ging fort, um sich um meine Tante Kate zu kümmern, die an einem mysteriösen Leiden erkrankt war, das die Erwachsenen nicht genau benannten. Da die Sommerferien begonnen hatten und mein Vater nur abends zu Hause war, um sich angeblich um uns zu kümmern, war es meine Aufgabe, auf meine Schwestern aufzupassen, während er zur Arbeit ging. Wenn ich zurückblicke, kann ich kaum glauben, dass unsere Mutter uns so lange allein gelassen hat. Aber ich vermute, sie hatte keine andere Wahl. Und sie ließ uns ja auch nicht allein, wenn man es genau nahm. Sie ließ uns mit unserem Vater allein. Wenn ich ihr von dem Tag im Boot erzählt hätte, wäre sie vielleicht nicht gegangen. Aber ich sagte nichts, und sie ließ uns bei unserem Vater, der uns nie schaden wollte, aber sich auch nicht darum kümmerte, dass uns kein Schaden zugefügt wurde.
    Schon immer war er launisch gewesen, doch ohne meine Mutter, die ihn zügelte und beruhigte, konnte er in seinen Launen schwelgen. Hoch, runter, hoch, runter. Den einen Tag konnte es sein, dass er ohne Unterlass redete, uns Popcorn und Kartoffelchips zum Abendessen erlaubte und danach stundenlang mit uns Monopoly oder Cluedo spielte. Am nächsten Tag kam er dann nach der Arbeit heim und verschwand mit einer vollen Flasche in der Dunkelheit seines Zimmers. Er kam erst wieder heraus, wenn die Flasche leer war. Es fühlte sich an, als hätten wir zwei Väter. Beide machten uns in ihren Extremen Angst.
    Patricia hatte mich gefragt, warum ich mich damit quälte, über die Vergangenheit nachzudenken. Ich wollte mich an die guten Dinge erinnern. Es war, als hätte mein Leben erst in jenem Sommer begonnen, und alles, was ich seitdem getan hatte, jede Entscheidung, die ich traf, war ein Resultat jenes Sommers. Jetzt veränderte sich mein Leben um mich herum, während ich in der Mitte stand und irgendwas wollte, ohne genau zu wissen, was es war. Ich wollte mich an irgendetwas Gutes erinnern, damit ich mich nicht an die schlimmen Erinnerungen klammerte, die noch immer Einfluss auf mich ausübten. Ich wollte nicht länger

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