Hot Summer
sein Notebook und klemmte es unter den Arm. „Ich geh euch lieber aus dem Weg.“
„Du musst meinetwegen nicht gehen“, erklärte Claire ihm. Erneut blickte sie zwischen uns hin und her. „Beachtet mich einfach nicht.“
„Als könnte man dich nicht beachten, du süßes Ding“, bemerkte Alex mit einem Zwinkern und einem frechen Grinsen. „Aber ich muss duschen und mich auf den Weg machen. Hab heute noch eine Verabredung.“
„Hui.“ Sie erwiderte sein Flirten. „Das klingt aber heiß.“
Sie lachten, und mein Lachen, das ihrem eine halbe Sekunde später folgte, klang, als passte es nicht zu ihnen. Alex schob sich hinter mir zur Tür, er berührte mich kaum. Dann verschwand er im Flur und ging in sein Schlafzimmer. Claire wartete, bis wir hörten, wie die Tür ins Schloss fiel. Dann wandte sie sich an mich.
„Weiß James, dass du seinen angeblich besten Freund vögelst?“
Ich stopfte die Plastiktüten in den Halter unter der Spüle. Ich ignorierte sie nicht, sondern antwortete ihr einfach mit Schweigen.
„Anne!“ Claire klang schockiert. Keine schlechte Leistung, das schaffte nicht jeder.
„Ich vögel nicht mit ihm.“ Wenn man es genau nahm.
„Aber irgendwas machst du doch mit ihm. Ich kenne diesen Blick, diesen frisch gefickten Gesichtsausdruck. Und du hast SLL.“
„Was?“ Ich fuhr zu ihr herum.
„Schwanzlutscherlippen“, sagte meine Schwester. „Heilige Scheiße, Anne. Du hast ihm einen Blowjob besorgt, stimmt’s?“
„Claire …“ Ich seufzte und zwang meine Hände, nicht über mein Gesicht und mein Haar zu fahren oder meine Klamotten zu glätten und damit den Beweis für eine Schuld zu liefern, die ich gar nicht verspürte. „Es geht dich wirklich nichts an.“
„Ach entschuuuldige bitte!“
Irgendwo im Haus hörten wir das Quietschen einer Tür, die geöffnet und geschlossen wurde, dann das ferne Wispern von laufendem Wasser. Ich schaute mir Claire genauer an. Leichte Schatten lagen um ihre Augen. Das wirkte sehr düster, aber es war kein Effekt, den sie mit Absicht zu erzielen suchte.
Ich dachte darüber nach, wie sie sich in letzter Zeit verhalten hatte. „Geht es dir gut?“
Sie trank Ginger Ale und wich meinem Blick aus. „Ich bin okay.“
„Du verhältst dich aber nicht so, als ob es dir gut geht.“
„Was ist das, dein sechster Sinn oder was?“, spöttelte sie, aber es klang gezwungen.
„Vielleicht auch nur das Vorrecht einer großen Schwester.“
Sie lächelte und verdrehte gleichzeitig die Augen. „Ja, okay. Meinetwegen.“
„Claire, bist du sicher, dass es dir gut geht?“
Ihr Gesicht verzog sich. Ein Schluchzen entfuhr ihr, obwohl ich sah, wie sie versuchte, es zurückzuhalten. Weil Claire nie weinte, nicht mal bei romantischen Filmen oder kitschiger Werbung, trat ich besorgt um die Kücheninsel herum.
„Was ist los?“, fragte ich, aber da sie gegen ihren Willen zusammengebrochen war und sogar die geballten Fäuste auf die Augen presste, um die Tränen zurückzuhalten, befiel mich eine Ahnung.
„Es wird schon wieder.“ Sie klang, als wolle sie sich selbst mehr davon überzeugen als mich. „Alles in Ordnung, alles bestens.“
„Komm her. Setz dich.“ Ich nahm ihren Ellenbogen und schob sie auf die Sitzbank am Küchentisch. Dann setzte ich mich neben sie und legte eine Hand auf ihre Schulter. „Steckst du in Schwierigkeiten?“
Schwierigkeiten konnten eine Menge Gründe haben. Aber als sie nicht antwortete, war es offensichtlich, in welchen Schwierigkeiten sie steckte. Mein Herz sank, und sanft streichelte ich ihren Rücken.
„Claire?“
Sie bekam die Tränen unter Kontrolle und griff nach einer Serviette aus dem Halter, um die Streifen schwarzer Mascara von den Wangen zu wischen. Dann atmete sie ein paarmal tief ein und aus. Sie blickte einen Moment an die Decke. Ihre Lippen zitterten.
Ich wartete. Sie atmete noch einmal durch und wischte erneut die Tränen fort. Dann schaute sie mich an.
„Ich bin schwanger.“
„Oh, Claire!“ Ich musste nicht mehr sagen.
„Ich wusste es!“, heulte sie. Die Tränen schossen ihr wieder in die blauen Augen und verschmierten den schwarzen Eyeliner. „Ich wusste, du würdest von mir enttäuscht sein!“
Ich war nicht von ihr enttäuscht. Wie könnte ich? Ich schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht …“
„Ich wollte es dir nicht erzählen, weil ich wusste, du würdest denken, ich hätte mich dumm verhalten.“ Sie vergrub das Gesicht in den Händen. „Ich war nicht dumm, Anne. Es war nur
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