Hotel in Flammen
mein Weg! dachte Tim. Außerdem
pfeift mein Schwein. Wie sieht denn der Typ aus? Völlig abgehetzt und gerupft
in der Frisur. Müßte der nicht längst auf der Schiene sein — via Süden und
Sonne?
Glattfeldt rannte mit wehendem
Trenchcoat.
Nicht einmal sah er sich um.
Tim hielt gleiches Tempo und einen
Abstand von etwa drei Kugelstoßweiten.
An einer Hausecke, ziemlich dicht bei
der Kirche, blieb Glattfeldt stehen.
Mit vorgeschobenem Kopf luchste er um
die Mauer kante.
Die Luft schien rein zu sein — oder was
auch immer ihn zu diesem heimlichtuerischen Benehmen veranlaßte.
Er huschte um die Ecke.
Als Tim dort anlangte, schoß er erst
einen Orientierungsblick ab.
Wie richtig! Denn die Szene, die sich
ihm bot, schien die Vorstufe zu einer Auseinandersetzung zu sein.
Es war die Rückseite der Kirche. Vorn
befand sich vermutlich ein größerer Platz, auf dem die Gläubigen ihre Autos
parken konnten, bevor sie ins Gotteshaus strömten.
Hier, wo sich die Sakristei in die
Gasse wölbte, wurde es schulterschmal zwischen Kirche und Pfarrhaus. Nur
Fußgänger und Radfahrer konnten sich durchquetschen. Für den Pfarrer hatte es
den Vorteil, daß er auch bei Regen ohne Schirm an seinen Arbeitsplatz eilen
konnte.
Die Gasse, an deren Ende Tim verharrte,
mündete also auf eine andere Gasse, die hinter der Kirche entlangführte — aber
für Autos als Sackgasse endete: beim Pfarrhaus.
Deshalb fuhr der Streifenwagen gar
nicht erst bis dorthin, sondern hielt weiter vorn, wo genug Platz zum Wenden
war.
Florian Speck, der wehrdienstalterige
Penner, stieg aus.
Hoppla! dachte Tim. Hat er Ärger mit
der Polizei?
Aber so sah es nicht aus.
Vielmehr schien ihn der Polizist, der
hinterm Lenkrad blieb, mit Ratschlägen auszustatten.
Florian nickte immer wieder, schien
fast zu dienern, bedankte sich anscheinend.
Seinen Rucksack hatte er nicht bei
sich, statt dessen zwei prallgefüllte Supermarkttüten.
Wo war Glattfeldt geblieben?
Tim entdeckt ihn.
Der ehemalige ERLENHOF-Empfangschef
drückte sich in eine Hofeinfahrt, verschmolz fast mit der grauen Wand, verhielt
sich ruhig wie ein Denkmal, linste aber mit dem rechten Auge um den Torpfosten
herum: zum Polizeiwagen hin — zu Florian, den er ja nicht zu seinen Freunden
zählte, wie Tim wußte.
Der Wagen wendete.
Grinsend verharrte Florian.
Als der Wagen abfuhr, ließ er eine Tüte
fallen und winkte wie irre.
Kaum war das Kfz außer Sicht, hockte
Florian neben Tüte Nr. 2 und wühlte seine sieben Sachen heraus, daß der Plunder
nur so umherflog.
Look und Laschi! dachte Tim. Was soll
das? Was geht vor? Wieso belauert Glattfeldt den Parkbank-Poofer? Wonach sucht
dieser?
In diesem Moment holte Florian einen
Schuhkarton aus der Supermarkttüte. Er nahm den Deckel ab, sah hinein — und war
offenbar wie vom Schnellzug gerammt.
Er ließ den Karton fallen.
Hatte Glattfeldt auf diesen Moment
gewartet?
Niemand war in der Nähe, keine
Menschenseele zu sehen. Zwar quäkte irgendwo Kindergeschrei, und auf einem der
Altbau-Hinterhöfe wurde dröhnend auf Blech gehämmert — doch hier herrschte
Einsamkeit.
Wie von der Sehne geschnellt, schoß
Glattfeldt aus seinem Versteck hervor.
Er rannte auf Florian zu, der ihn nicht
bemerkte, weil er ihm den Rücken zuwandte.
Tim begriff.
Glattfeldts Ansturm geschah nicht zum
Zwecke freundschaftlicher Umarmung. Was der vorhatte, war rohe Gewalt.
Und richtig! Glattfeldt holte aus mit
geballter Faust. Sein Sprint hätte die Wucht der beabsichtigten Kopfnuß
verstärkt.
„Vorsicht!“ schrie Tim — und flitzte
los.
Glattfeldts Schritt stockte — aber nur
etwas.
Der Jung-Penner reagierte, als wäre
Langsamkeit eine Tugend. Vielleicht hatte ihn der Inhalt des Kartons gelähmt.
Jedenfalls drehte er sich unendlich
langsam um.
Zu einer Abwehr reichte es nicht.
Glattfeldts Faust, die ihn andernfalls
im Genick oder am Hinterkopf getroffen hätte, knallte ihm als Hammerschlag
gegen die Stirn.
Florian stieß einen jodlerähnlichen
Schrei aus und taumelte rückwärts gegen die Kirche.
Glattfeldts Wut kannte kein Maß. Er
raste förmlich. Mit einem Tritt wollte er Florian durchs neugotische
Prachtfenster ins linke Kirchenschiff befördern — was eine Luftreise erfordert
hätte.
Doch der Tritt ging daneben, traf die
Kirchenmauer und prallte dort ab.
Glattfeldt taumelte zurück, wobei er
flink herumwirbelte, hallte ihm doch der warnende Vorsicht-Schrei noch immer im
Ohr.
Tim sehen und die Fäuste hochreißen war
eins.
Aber Tim brach
Weitere Kostenlose Bücher