Hotel in Flammen
andeutungsweise die Achseln und schlurfte nach irgendwo
hinten, um beim Chef fernmündlich anzufragen.
Als er zurückkam, sagte er: „Graf
Paletti erwartet Sie in seinem Büro. Bitte, dort entlang!“
Er schnippte einen Pagen herbei und
wies ihn an, was zu tun sei.
Der Page war etwa 16. Auf seinem
Windhundgesicht blühten Pickel.
Er führte Tim durch die Halle, einen
Gang lang, zweimal um Ecken, tiefer in den Kern des Gebäudes hinein, wobei er
immer einen Schritt voraus war und häufig an seinem Pagen-Käppi rückte.
Während des Fußmarsches entwickelte
sich folgendes Gespräch.
„Ist ja ein Hammer, die Sache“, sagte
Tim. „Was so alles passieren kann.“
„Was meinen Sie?“
„Wirst mich doch nicht siezen. Ich bin
knapp 14.“
„Siehst aber älter aus.“
„Das macht der schulische Streß.“
„Ich mußte abgehen. Zweimal habe ich
das Klassenziel nicht erreicht. Aber hier gefällt’s mir. Man kriegt Trinkgeld.“
„Starker Job“, nickte Tim. „Aber wie
war denn das nun mit dem... äh... Anschlag?“
„Na ja, ob man das einen Anschlag
nennen kann? Wie ich hörte, hat ein Verrückter Gift in den Dachgarten-Pool
geschüttet.“
„Also das Wasser verseucht?“
„Total. Hoch giftig, sozusagen. Muß
abgelassen werden. Aber wohin damit? Der Pool ist geschlossen, die Gäste
schimpfen.“
„Kann ich mir denken“, sagte Tim.
Dann standen sie vor Palettis Büro.
Anklopfen. Herein! Hinter Tim machte
der Page die Tür zu.
Es war ein schickes Manager-Büro mit
holzgetäfelten Wänden und viel Leder. Auf Palettis Schreibtisch, der
bogenförmig und sehr groß war, standen drei Telefone.
Der Graf war schlank und tadelfrei
gekleidet, trug eine silbergraue Weste unter der blauen Jacke. Er hatte einen
schmalen Schädel und das Haar sorgfältig gescheitelt. An der langen Nase vorbei
musterte er Tim wie über Kimme und Korn.
Seine Stimme klang, als hätte er
Schnupfen.
„Bitte, nehmen Sie Platz, Herr Carsten.
Ich höre.“
Tim setzte sich. Den Geldkarton stellte
er zwischen die Füße. „Ich hörte gestern abend mit, als Sie Frau Glockner anriefen.
Die Erlenhof-Besitzerin ist so eine Art entfernte Verwandte von mir. Ich bin
zur Zeit zu Besuch dort — und habe Durchblick durch alles, was da läuft. Unter
anderm hörte ich zwar, daß einige einheimische Hoteliers tatsächlich Front
gegen Sie — vielmehr gegen das Weekend — machen. Aber Isabel Glockner hat es
nachdrücklich und unmißverständlich abgelehnt, sich daran zu beteiligen. Das
ist absolut wahr. Ich darf Ihnen also versichern, sie hat ihre Hände nicht im
Wasser — äh, im Spiel, als Ihr Schwimmbeckeninhalt vergiftet wurde. Was ein
starkes Stück und eindeutig kriminell ist.“
Paletti blickte gelangweilt zum
Fenster.
„Ist ja nett, daß Sie sich für Ihre
entfernte Verwandte einsetzen. Aber woher soll ich wissen, ob Sie die Wahrheit
sagen?“
„Graf Paletti! Isabel Glockner ist
ehrenwert wie alter Adel und...“
„Ein ganz schlechtes Beispiel“, fiel
ihm Paletti ins Wort. „Führen Sie nicht den alten Adel an, wenn Sie von Ehre
sprechen. Woher wissen Sie eigentlich, junger Mann, was mit unserem
Schwimmbecken ist?“
„Das kam mir zufällig zu Ohren. Hier im
Haus.“
„Hm, hm.“ Der Graf schob Falten auf der
Stirn hin und her und stierte auf seinen Terminkalender.
„Sie sprachen von erpresserischem Druck“,
sagte Tim. „Wer erpreßt Sie?“
„Wer wohl? Natürlich die Konkurrenz.
Man rief mich an letzte Nacht. Die entblöden sich nicht, sich für die Mafia
auszugeben. Schutzgeld soll ich zahlen. 20 000 im Monat. Damit diesem Haus
nichts passiert. Und als Beispiel für unsere Verwundbarkeit wurde dann gleich
das Schwimmbecken-Wasser verätzt.“
„Ist ja ätzend. Das Ansinnen, meine
ich.“ Tims Gedanken wirbelten, als hätte er einen Whirlpool im Hinterkopf. „Mafia?
Hört sich stark an. Ist aber sicherlich ein Taubenei. Das Hoteliers
dahinterstecken, glaube ich nicht.“
„Wer sonst? Die echte Mafia? Hier in
Bad Neuzell? Ein amüsanter Gedanke. Vielleicht könnte man damit werben.
Abenteuer-Urlaub nicht am Nil, nicht am Amazonas, nicht am Nordpol — nein, in
Bad Neuzell. Hier erwarten Sie moderne Gefahren. Die Mafia sorgt dafür, daß
Ihnen kein Urlaubstag langweilig wird. Unser Zwischensaison-Angebot für eine
Woche Neuzeller Mafia-Urlaub: 999 DM — einschließlich Halbpension mit
Schonkost. Hähähäh!“
„Ich käme.“ Tim lächelte pflichtschuldig.
„Was werden Sie tun wegen der Erpressung? Ist
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