Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Hemdblusenkleid mit gestreiftem Dreieckstuch über der Schulter und einer Liste in der Hand steuerte auf sie zu. »Sind Sie Herr und Frau Brahms?«
»Wieso?« fragte Florian zurück, »sehen wir wirklich schon so alt aus?«
»Also nicht!« seufzte sie und eilte weiter.
Tinchen sah ihr hinterher. »Glaubst du, das hat sie verstanden? Vielleicht kennt sie ihn ja gar nicht.«
»Sollte mich auch wundern, Brahms ist seit hundert Jahren tot.« Suchend sah er sich um. »Sag mal, Tine, siehst du hier jemanden, der rot-weiß-grün-kariert angezogen ist?«
»Bestimmt nicht. Freiwillig trägt sowas kein Mensch.«
»Ich habe ja auch die Kofferanhänger nicht entworfen! Nur scheinen die Abgesandten der diversen Touristikunternehmen ihre Garderobe auf die Muster der Gepäckaufkleber abgestimmt zu haben.«
Das traf jedoch nicht in allen Fällen zu. Der junge Mann trug jedenfalls kein kariertes Hemd, sondern eins mit Punkten, und die Krawatte war schlicht dunkelblau. Nach einem kurzen Blick auf die Kofferschilder stellte er fest, daß es sich bei diesen Gästen entweder um Familie Bender oder um das Ehepaar Rassenkoetter handeln müsse. »Sie sind nämlich die letzten!«
»Die vorletzten!« sagte Florian, nannte seinen Namen und wurde angewiesen, den grünen Bus drüben in der dritten Reihe anzusteuern.
»Sie haben nicht vielleicht Herrn oder Frau Rassenkoetter gesehen? Dann könnten wir nämlich abfahren.«
Florian bedauerte. Da er nicht wisse, wie die Herrschaften aussähen, wolle er sich nicht festlegen. »Aber es waren viele einzelne Paare im Flugzeug«, versicherte er treuherzig.
Der junge Mann musterte ihn mißtrauisch, bevor er sich abwandte und wieder neben der Ausgangstür Stellung bezog.
»Mußt du eigentlich jeden hier auf den Arm nehmen?« schimpfte Tinchen, klemmte sich hinter den Kofferkuli und rollte ihn Richtung Parkplatz. »Die tun doch auch bloß ihren Job, und der ist bestimmt nicht leicht.«
»Dafür haben sie es immer warm, meistens blauen Himmel und selten Regen. Und wenn … Du, ich glaube, da drüben gibt es was zu trinken.« Er deutete zu einem etwa fünfzehnjährigen Jungen, der unter einer Palme hockte, neben sich eine Eisbox und davor ein Sortiment leerer Getränkedosen. »Traust du dir zu, dieses Gefährt unfallfrei zu dem grünen Bus zu karren?«
Sie nickte bloß und schob los. Als Florian mit seinem Einkauf zurückkam, hatte der einheimische Fahrer das Gepäck bereits verladen und Tinchen in ein Gespräch verwickelt, von dem sie so gut wie gar nichts verstand. »Ich denke, die sprechen hier englisch?«
»Na ja, es ist eine sehr gewöhnungsbedürftige Abart davon«, erklärte Florian, der mit dem Getränkeverkäufer auch nicht so richtig klargekommen war, »aber ich habe schon gelernt, wo die Jungs hier ihre Prioritäten setzen.« Er öffnete eine Dose Eistee und reichte sie Tinchen hinüber, bevor er seine eigene an den Mund setzte und in einem Zug leerte. »Bier, Cola, Fanta und so weiter kosten jeweils zwei Dollar, ein Joint bloß einen!«
Beinahe hätte sich Tinchen verschluckt. »Die verkaufen hier Marihuana offen auf der Straße?«
»Offen nicht«, sagte Florian grinsend, »er hat das Zeug in einer Plastiktüte.«
Da das Ehepaar Rassenkoetter noch immer nicht aufgetaucht und der gepunktete Jüngling ebenfalls verschwunden war, beschloß Florian einen erneuten Versuch zur Befriedigung seiner dringendsten Bedürfnisse. »Irgendwo in oder an diesem Terminal wird es doch wohl einen Laden geben, der Zigaretten verkauft. Willst du auch was haben?«
»Ja, erst eine schöne kalte Dusche und danach eine Portion Bratkartoffeln mit Schweinskopfsülze!«
Entgeistert sah er sie an. »Ausgerechnet hier? Die ißt du doch sonst nie!«
»Sonst dusche ich ja auch nie kalt!«
Florian trabte ab, Tinchen setzte sich auf den Bordstein, stand wieder auf, umrundete ein Blumenbeet, bestaunte die ihr größtenteils unbekannten Gewächse, beguckte sich ein zweites, auf dem überwiegend Stacheliges mit großen roten Blüten wuchs, und dann hielt sie es in der Sonne nicht mehr aus. Schatten gab es so gut wie keinen, also hinein in den Bus, dessen Tür trotz laufender Klimaanlage weit offenstand. »Guten Tag«, sagte sie, denn sie war ein höflicher Mensch, bekam jedoch keine Antwort, suchte sich einen Platz und starrte aus dem Fenster. Die meisten Busse waren schon abgefahren, junge Männer, durch Plastikkärtchen als Angestellte ausgewiesen, sammelten die herumstehenden Kofferkarren ein, andere
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