Hotel Mama vorübergehend geschlossen
eigentlich das Meer?« wunderte sich Tinchen, »rechts oder links?«
»Mir egal, ich will jetzt nicht baden.« Nur mühsam unterdrückte Florian ein Stöhnen. Nicht nur, daß es ihm dank seiner Frustfresserei jetzt hundsmiserabel ging, dabei hatte er sich noch nie viel aus Marzipan gemacht, er wollte nicht auch noch zusätzlich Tinchens sarkastische Kommentare herausfordern. Und die kämen bestimmt, wenn sie wußte, was mit ihm los war. So schloß er nur wieder die Augen in der Hoffnung, sie würde ihn in Ruhe lassen. Weit gefehlt!
»Sieh mal, Flori, da drüben! Ein richtiges kleines Bambuswäldchen.«
»Hm, sehr schön.«
Zwei Kilometer weiter: »Lauter Bananenstauden! Da hängen ganz viele dran.«
Keine Antwort.
»Jetzt mußt du aber wirklich mal gucken, Flori! Da unten am Bach laufen lauter kleine Ferkel herum. Wieso rennen die nicht weg? Was meinst du, ob die wie Hühner abends von allein in ihren Stall zurückfinden?«
»Weiß nicht, bin kein Huhn.«
Ärgerlich rüttelte sie ihn am Arm. »Sei nicht so ein Langweiler! Im Flugzeug, wo es nichts zu sehen gibt, machst du kein Auge zu, und hier kriegst du keins auf! Wir sind auf Jamaika, Florian!«
»Hm, sehr schön.«
Während sie noch überlegte, auf welche Weise sie ihr Dornröschen endlich aufwecken könnte – die im Märchen gängige Methode erschien ihr im Hinblick auf die gegenwärtige Situation nicht so ganz passend –, bog der Fahrer von der Straße ab und hielt vor einem etwas zurückliegenden Haus. »Zwanzig Minuten Pause!« verkündete Steven, und sofort stürzte der weibliche Teil der Busbesatzung aus der einen Tür heraus und in die nächste hinein. Ohne Hemmungen requirierten die Damen auch jenen Raum, der eindeutig als Herrentoilette ausgewiesen war. »Da hinten stehen genügend Büsche, Jens, zu Hause pinkelst du ja auch immer an die Friedhofsmauer«, sagte ein junges Mädchen, bevor es die Tür mit der Aufschrift
Gentlemen
hinter sich zuzog.
»Ick wer' varrückt, die ha'm da hinten dran 'n richt'jen Bierjarten!« frohlockte einer, der von den Büschen schon wieder zurückkam, »da stehn zwar keene Kastanien, wie sich det normalerweise jehört, aber Palmen tun's ja ooch. Jetzt fehlt bloß noch 'n anständijet kühlet Bier!«
Das gab es zwar, aber nur aus der Dose, und Zeit für den Biergarten hatten sie sowieso nicht. Überhaupt hielt sich der allgemeine Durst in Grenzen. Florian hatte auch keinen, jedenfalls so lange nicht, bis Tinchen hinter
Ladies
verschwunden war. »Can I have rum, please?« fragte er leise, denn obwohl die Sonne schon ziemlich tief stand, war sie noch längst nicht untergegangen.
»Coke with rum?« forschte der Mann hinter der Theke. Er kannte seine Pappenheimer, besonders die neu angekommenen, die wollten immer bloß kalte Getränke und nur ganz selten mal mit einem Schuß des jamaikanischen Nationalgetränks verfeinert.
»No, only rum«, bekräftigte Florian noch einmal, während er angestrengt überlegte, was ›pur‹ auf englisch heißen könnte, »I mean pure, äh – without anything.« Englisch war nun mal nicht seine Stärke, dafür war Tinchen zuständig, die hatte nämlich keinen Wissenschaftler zum Vater gehabt, für den nur ein humanistisches Gymnasium mit Latein und Griechisch diskutabel gewesen war. Dabei hatte Florian weder Theologie studieren noch sein ferneres Leben in Griechenland verbringen wollen, weshalb er den ihm oktroyierten Sprachen herzlich wenig Interesse entgegengebracht hatte und beim erstenmal auch prompt durchs Abitur gefallen war.
Der Barmensch hatte noch immer nicht verstanden. »You want a bottle with rum?«
»No!« protestierte Florian, verzweifelte Blicke auf die Toilettentür werfend, jeden Moment konnte Tinchen wieder rauskommen, »only a glass with rum! A little glass!« Vorsichtshalber deutete er die gewünschte Größe an. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn man den Rum hierzulande in Wassergläsern servierte.
Endlich bekam er das Gewünschte, eine ausgesprochen mickrige Portion, wie er fand, kippte sie auf einen Zug hinunter, orderte eine zweite, und dann fiel ihm ein, daß Tinchen mißtrauisch werden könnte. »And a Coke, please!«
Na also, jetzt war die Welt des Barkeepers wieder in Ordnung. Die meisten Gäste schütteten zwar den Rum in die Cola und tranken sie dann, aber wenn jemand die andere Variante bevorzugte, dann sollte es ihm auch recht sein. Als Tinchen frisch gekämmt und auch sonst ein bißchen restauriert von der Toilette zurückkam, trommelte Steven
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