Hotel Mama vorübergehend geschlossen
stand, die Tüte mit den zollfreien Einkäufen und zu guter Letzt noch das von Tinchen als Suitcase bezeichnete Gepäckstück, aus dem sie jetzt sandfarbene Bermudashorts zog, ein blaues T-Shirt und ein Paar helle Mokassins. »Dort drüben ist eine Toilette, Flori, da ziehe ich mich schnell um, ja? Du wartest doch hier so lange? Ich beeile mich auch.« Sie lief los, kehrte jedoch nach einigen Schritten wieder um. »Was meinst du, ob man da Trinkgeld braucht?«
Florian glaubte das nicht, es war ihm auch völlig egal, er schwitzte in seinen Jeans, hatte Durst und wollte möglichst schnell an die frische Luft. Zigaretten hatte er auch nicht mehr. Die letzte hatte er beim Warten auf die Paßkontrolle geraucht. Und davor neun Stunden lang gar keine! Alle Raucherplätze waren ausgebucht gewesen. Verdammtes Laster! Man sollte die blöde Qualmerei endlich aufgeben, sie kostete bloß einen Haufen Geld, ruinierte die Gesundheit und kam immer mehr aus der Mode! Nachdem er zum drittenmal vergeblich seine Hosen- und danach die Jackentaschen abgeklopft hatte in der Hoffnung, doch noch eine übersehene, seinethalben auch zerdrückte Zigarette zu finden, durchsuchte er die Duty-free-Tüte. Da müßte doch eigentlich … Er zog eine Flasche Duschöl heraus, einen kleinen Flakon mit Tinchens zweitliebstem Parfüm, etwas dünnes Goldenes, etwas dünnes Rotes (er tippte auf Kugelschreiber in vornehmer Verpackung, absolut sinnlos, Tinchen ließ sie ja doch überall liegen), dann angelte er etwas schmales Schwarzes aus der Tüte, auch auf den zweiten Blick nicht zu identifizieren, danach einen hellroten Lippenstift, vermutlich den achtzehnten oder neunzehnten in Tinchens Sammlung, eine Blechdose mit Zitronenbonbons und ganz unten eine Packung Marzipantäfelchen. Keine Zigaretten! Ärgerlich riß Florian das Zellophanpapier herunter, öffnete den Deckel und stopfte sich ein Stück Marzipan nach dem anderen in den Mund. Als Tinchen zurückkam, hatte er die Packung fast leergefuttert, und nun hatte er nicht nur doppelt soviel Durst wie vorher, sondern ihm war auch noch schlecht.
»Ich hätte zu Hause
doch
diese Selbstbräunungscreme ausprobieren sollen, Flori, dann käme ich mir jetzt nicht vor wie nach drei Monaten Dunkelhaft, was ja auch stimmt, jedenfalls für die Beine, sieh dir die bloß mal an! Zu dünn sind sie ja immer schon gewesen, aber jetzt sehen sie aus wie Schwetzinger Spargel … hörst du mir überhaupt zu?« Erst jetzt bemerkte sie die Schachtel in Florians Hand. »Hast du etwa das ganze Marzipan gegessen?«
»Vier Stück sind noch übrig.« Er verschloß die Packung wieder und steckte sie zurück in die Tüte. »Das nennt man Suchtverlagerung! Warum hast du im Duty-free-Laden keine Zigaretten gekauft?«
»Weil sie hier auf Jamaika viel billiger sein sollen, weil wir uns das Rauchen sowieso abgewöhnen wollen, jetzt im Urlaub haben wir ja Zeit dazu, weil ich nicht mehr genug Geld dabei hatte …«
»… und weil du deine ganze gebunkerte Reserve wieder für Sachen ausgegeben hast, die du normalerweise niemals kaufen würdest. Trägt man jetzt schon schwarzen Lippenstift? Also wenn du mit sowas ankommst, Tine …«
»Rede nicht von Dingen, die du nicht verstehst, Florian!« Sie nahm ihm die Tüte aus der Hand und stopfte sie zwischen das andere Gepäck. »Ich bin sechsundfünfzig, da genügen bloß Wasser und Seife eben nicht mehr!«
»Ich bin ja schon ruhig.« Mit ergebener Miene setzte er den Kofferkuli in Bewegung und steuerte den Ausgang an. Tinchen trabte nebenher, bemüht, die hin- und herrutschenden Taschen festzuhalten. »Weißt du überhaupt, wo wir hinmüssen?«
»Ja, durch die Tür da drüben!«
»Witzbold!«
Wie ein Schock traf sie die warme weiche Luft, als sie den klimatisierten Terminal hinter sich gelassen hatten. Vor ihnen befand sich ein mit Palmen und Blumenrabatten gesprenkelter großer Parkplatz, auf dem unzählige Busse warteten, dazwischen Privatwagen von neuwertig bis zu Hauptsache-der-Motor-läuft-noch, hupende Taxis und Menschen jeglicher Hautfarbe, angefangen von tiefschwarz über alle denkbaren Braunschattierungen bis zu dunkelpinkfarben und immer noch fast weiß. Die rote Tönung gehörte zu jenen Touristen, die sich vor der Rückreise noch mal von morgens bis abends an den Strand gelegt hatten in der irrigen Meinung, sie bekämen keinen Sonnenbrand mehr. Jetzt sahen sie aus wie gekochte Hummer und fühlten sich vermutlich auch so.
Eine schon etwas gestreßt wirkende junge Frau in einem
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