Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
lernte Tinchen jedoch, daß jamaikanische Bus- und Taxifahrer ausnahmslos einem großen, weitverstreuten Familienclan angehörten, denn egal, in welche Richtung sie fahren mußten, sie trafen immer jemanden, der zur Sippe gehörte. Angeblich!
    Den übrigen Fahrgästen schien die Verzögerung nichts auszumachen. Die meisten schliefen ohnehin schon, und die anderen waren kurz davor. Sogar Florian, die Beine weit in den Gang gestreckt, hatte die Augen geschlossen. Ihn interessierten weder die Zuckerrohrfelder rechts und links der Straße noch die etwas unterernährten Kühe, er hatte auch keine Lust, fröhlich lachenden Kindern zurückzuwinken, das einzige, was ihn hätte reizen können, waren die gelegentlich auftauchenden Bretterbuden, durch ein paar davorstehende Stühle und ein kunstvoll bemaltes Schild als BAR erkennbar. Vermutlich hätte er dort einen Whisky, mit Sicherheit jedoch ein Glas Rum bekommen, aber natürlich hätte er nie gewagt, um einen kurzen Stopp zu bitten, wie hätte das denn ausgesehen?
No alcohol before sunset
lautete doch die Faustregel erfahrener Tropenbesucher, und daran hatte er sich immer – na ja,
fast
immer! – gehalten, damals in Kenia und sogar auf den Kanaren, obwohl die ja noch zu Europa gehören und eigentlich gar nicht gelten. Warum hatte er vorhin bloß das ganze Marzipan verschlingen müssen? Und danach den Eistee … Gott, war ihm schlecht! Hoffentlich mußte er nicht auch noch … Das war ihm zwar lange nicht mehr passiert, nicht mal Weihnachten nach dem gnadenlosen Besäufnis mit Fabian, aber wenn der Kerl da vorne nicht endlich seinen Fahrstil änderte, garantierte er für nichts, der bretterte wie ein Henker um die Kurven, und immer auf der falschen Seite …
    Der Henker mußte Florians stumme Bitte gehört haben, denn er nahm die Geschwindigkeit zurück, bog in eine kleine Parkbucht ein und hielt an; nur war nicht ersichtlich, weshalb er das tat. Auf der einen Straßenseite war ein großes, schmiedeeisernes Portal zu sehen und dahinter eine leicht abfallende Allee, die vermutlich irgendwohin führte, auch wenn man ihr Ende nicht sah, und gegenüber gab es nur einen Zaun, der eine herrlich grüne Wiese zur Straße hin abgrenzte. Keine Kühe.
    »Half Moon Hotel, very expensive«, erläuterte der Fahrer, machte jedoch keine Anstalten, dieses Hotel anzufahren und zerschlug damit Florians Hoffnung auf einen Schluck Hochprozentiges.
    Jetzt erinnerte sich auch Steven seiner Pflichten und griff zum Mikrofon. »Hier drüben sehen Sie einen kleinen Teil des wunderschönen Golfplatzes, der zum Hotel gehört. Das Half Moon gilt als das teuerste auf ganz Jamaika und als Treffpunkt der Prominenz. Mick Jagger verbringt hier häufig seinen Urlaub, Charles Bronson, Sharon Stone, auch Caroline von Monaco soll schon dagewesen sein …«
    »Kann man da auch als ganz gewöhnlicher Mensch rein?« fragte Gundula sofort.
    »Selbstverständlich. Sie brauchen nur die entsprechende Kreditkarte.«
    »Die hast du doch hoffentlich mit, Herbert?« Und als der nickte: »Dann fahren wir mal zum Dinner hin oder wenigstens zum Cocktail, vielleicht ist ja gerade jemand da, den wir kennen.«
    Während Tinchen noch überlegte, bei welcher Gelegenheit Gundula mit den Hollywood-Größen zusammengetroffen sein könnte, wahrscheinlich als Zuschauer bei ›Wetten, daß …‹ oder einem ähnlichen Spektakel, reihte sich der Fahrer wieder in den immer chaotischer werdenden Verkehr ein. Rush hour auch auf Jamaika. Tinchen sah auf die Uhr: Halb fünf, also in Deutschland halb elf Uhr abends, kein Wunder, daß sie Hunger hatte. »Wie lange fahren wir denn noch?« rief sie quer durch den Bus.
    »Ungefähr fünfzig Minuten«, schrie Steven zurück und bekam als Antwort ein vielstimmiges Stöhnen. »Wir machen aber unterwegs eine Viertelstunde Pause, damit Sie etwas trinken können.«
    »Das Gegenteil wäre mir lieber«, kam es von ganz hinten.
    Steven lachte. »Natürlich gibt es da auch Toiletten.«
    Und wieder Zuckerrohrfelder, Wiesen mit und ohne Kühe, kleine Ortschaften, hübsche weiße Häuser mit Terrasse und säulengestütztem Balkon, dann wieder armselige Hütten mit Wellblechdach, im kleinen Gärtchen eine angepflockte Ziege und davor ein schrottreifes Auto mit gültigem Nummernschild. Alle paar Kilometer führte die Straße über einen kleinen Fluß oder auch nur einen Bach, Wasser im Überfluß, das von den Blue Mountains kam und der Insel diese ungeheuer vielfältige Vegetation bescherte.
    »Wo ist

Weitere Kostenlose Bücher