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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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hantierten mit langstieligen Besen und ebensolchen Schaufeln. Man schien hier sehr auf Ordnung und Sauberkeit zu achten. Verständlich, der erste Eindruck ist immer wichtig. Diese Ansicht vertrat jedenfalls Frau Antonie, die ihre vier verschiedenen Türkränze mit Beginn der jeweiligen Jahreszeit auswechselte. »Es sieht etwas albern aus, wenn man zu Weihnachten noch mit Astern, Dahlien und Herbstlaub konfrontiert wird.«
    »Glaubst du wirklich, darauf achtet jemand?« hatte Tinchen gefragt, nachdem sie ihrer Mutter beim Entstauben und Restaurieren des ›Winter‹-Kranzes geholfen hatte. Der bestand neben künstlicher Tanne überwiegend aus den Blüten roter Weihnachtssterne, kleinen rotbackigen Äpfelchen und vielen goldenen Kugeln; die waren allerdings nach zweimal je einem Vierteljahr Dienst außen an der Haustür schon etwas matt geworden, und Frau Antonie hatte beschlossen, im nächsten Winter einen neuen Kranz anfertigen zu lassen. »Solch ein Türschmuck ist doch das erste, was ein Besucher sieht, nachdem er geklingelt hat und auf Einlaß wartet«, hatte sie Tinchens Frage beantwortet, und die hatte dann auch nichts mehr gesagt. Toni hatte nun mal ein Faible für Plastikobst und künstliche Blumen, Tinchen wollte echte haben oder gar keine.
    »Na endlich!« seufzte sie leise, als sie erst das gepünktelte Hemd und dann den dazugehörigen Kopf erkannte. Der Herr Reiseleiter schien tatsächlich die noch fehlenden Gäste gefunden zu haben. Im übrigen kamen sie Tinchen bekannt vor. Diese Glatze, jetzt nur unzulänglich von einer Art Baskenmütze bedeckt, hatte sie doch schon im Urzustand leuchten sehen, na, und erst die gelbe Strandkombination … Und wer lief eifrig schwafelnd nebenher und trug sogar noch das Kosmetikköfferchen dieser Dame, das auf dem überbordenden Gepäckwagen offenbar keinen Platz mehr gefunden hatte? Richtig, Florian! Ihr angetrauter Ehemann, der ihr früher sogar den Mond vom Himmel pflücken wollte und es jetzt nicht mal schaffte, Zigaretten zu holen! Spielt hier den Kavalier, und daheim hält er mir nicht mal die Tür auf, wenn ich die Einkaufstüten ins Haus trage! Es brodelte in ihr, doch sie ließ sich nichts anmerken, als er sich neben sie setzte und ihr die Stange Marlboro in den Schoß warf. »Hast du den Tabak erst selber ernten müssen?«
    Er überhörte die Spitze. »Weißt du, was die Zigaretten gekostet haben? Zehn Dollar! Bei diesen Preisen wäre es ja eine Sünde, ausgerechnet jetzt das Rauchen aufzugeben! Tine, das müssen wir verschieben, bis wir wieder zu Hause sind!«
    Der vor ihm sitzende Mann drehte sich um. »Wie könn Se denn Zijaretten am Flughafen koofen? Da is doch überall allet viel teurer wie woanders! Bei Ocho Rios zahl'n Se acht Dollar; wenn Se Jlück ha'm oder jleich zwee Stangen uff eenmal neh'm, kriejen Se se ooch für sieben.«
    Florian bedankte sich, wollte aber nicht fragen, wer oder was Ocho Rios war, denn das hatte man offenbar zu kennen. Wahrscheinlich ein Laden oder eine bestimmte Kneipe, dessen Besitzer Ocho Rios hieß und nebenbei einen Schwarzhandel mit Zigaretten betrieb.
    Der Reiseleiter enterte den Bus, entschuldigte sich für die Verspätung, es habe ein paar Schwierigkeiten beim Zoll gegeben, ein Mißverständnis, doch nun sei alles in Ordnung, es gehe ja auch gleich los, aber zur Sicherheit wolle er noch mal kontrollieren, ob auch wirklich alle Gäste anwesend seien und nicht wieder welche im falschen Bus säßen. Er heiße übrigens Steven, was Tinchen sofort als anglisierten Stefan identifizierte, denn der Jüngling stammte mit Sicherheit aus dem sächsischen Raum, und nun werde er die einzelnen Namen aufrufen. Mitten in das Frage- und Antwortspiel hinein kletterte der Fahrer auf seinen Sitz, ließ erst den Motor und danach eine dreistimmige Hupe aufheulen, legte den Gang ein und – nahm ihn wieder heraus. Stattdessen zog er die Handbremse an. Dann verließ er den Bus. Nicht etwa wegen eines stehengebliebenen Koffers oder eines herbeispurtenden Passagiers, sondern wegen eines Einheimischen, der lachend herangeschlendert kam. Es folgten das merkwürdige Ritual einer jamaikanischen Begrüßung, bei dem die Hände in einer bestimmten Reihenfolge zigmal aneinandergeschlagen werden, sodann ein unverständlicher Dialog von etwa fünf Minuten Dauer, der Abschied, ähnlich kompliziert wie die Begrüßung, dann endlich kehrte der Fahrer in den Bus zurück. Ein gemurmeltes »it's my brother«, schien ihm als Entschuldigung zu genügen. Später

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