Hotel Mama vorübergehend geschlossen
ist es leider nie beschieden, junge Menschen um mich zu haben, um so mehr genieße ich es, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.«
Der junge Mensch, im letzten Herbst vierundfünfzig geworden, schluckte das, was er gerne gesagt hätte, doch lieber hinunter. Die Canasta-Damen hatten ja mitunter schon etwas seltsame Anwandlungen, besonders Frau Helmers, die nicht nur Usambaraveilchen züchtete, sondern im vergangenen Jahr in der Volkshochschule einen Klöppelkurs belegt hatte und seitdem sämtliche Freundinnen und deren Verwandte mit Produkten ihres neuen Hobbys beglückte, doch diese Frau Ka-Strich-Ka schien einen noch größeren Sparren zu haben! Tinchen beschloß abzuwarten, ob sie Frau Klaasen-Knittelbeek überhaupt sympathisch finden sollte.
Nach zwei Tassen Kaffee, koffeinfrei natürlich, und zwei Mohnhörnchen mit Diätmarmelade, andere gab es nicht, denn Frau Antonie hatte den Kampf gegen ihr Übergewicht noch immer nicht aufgegeben, war Tinchen zu dem Schluß gekommen, daß sie die liebe Dorothee nicht leiden konnte. Sie hätte nicht einmal sagen können, worauf sich ihre Abneigung gründete, denn Frau Klaasen-Knittelbeek erzählte recht unterhaltsam kleine Episoden von der gemeinsamen Donaureise, stellte keine indiskreten Fragen, hörte im Gegenteil interessiert zu, was Frau Antonie von Tim und Tanja zu berichten hatte, und trotzdem erschien sie Tinchen irgendwie suspekt.
»Die ist nicht echt!« beschwerte sie sich später bei Florian.
»Na, weißt du, wenn ich mir so
deine
Haarfarbe ansehe und die Jacketkronen …«
»Ich rede doch nicht von Äußerlichkeiten«, fiel ihm Tinchen ins Wort, »obwohl mich die Frau Ka-Strich-Ka auf dem Kopf ein bißchen an Roquefortkäse erinnert hat wegen der blauen Farbe, aber sie hat doch glatt von mir behauptet, ich sei ein junger Mensch, und das ist nun wirklich kein Kompliment mehr, das zeugt entweder von grünem Star oder von Altersdemenz.«
»Damit könntest du durchaus recht haben. Je älter ich nämlich werde, desto fragwürdiger erscheint mir die These, Alter mache weise. Und Tonis Witwenkonvent hat im Durchschnitt noch zwei Jahrzehnte mehr drauf als ich.«
Das Thema Klaasen-Knittelbeek war so lange kein Thema mehr, bis Frau Antonie ihren Schwiegersohn in der Redaktion anrief und wissen wollte, ob er einen zuverlässigen Möbelspediteur kenne. Als ehemaligem Lokalredakteur seien ihm doch wohl die meisten Firmen geläufig.
»Toni, das ist über zwanzig Jahre her, und in der Zwischenzeit dürfte sich auch in der Speditionsbranche einiges geändert haben, aber wenn du möchtest, blättere ich im Archiv gern ein paar alte Zeitungen durch.« Den Vorwurf, ihre Belange doch endlich einmal ernstzunehmen, wartete Florian gar nicht erst ab. »Wozu brauchst du eigentlich einen Spediteur? Wenn du endlich diesen Schleiflack-Alptraum aus der Mansarde loswerden willst, mußt du es bloß sagen, das kriegen Karsten und ich auch selber hin.«
Nein, Frau Antonie wollte keineswegs den Wäscheschrank ausrangieren, war er doch eines der ersten Möbelstücke gewesen, die ihre Mutter nach dem Krieg wieder angeschafft hatte. »Es handelt sich um einen Umzug«, stellte sie richtig, »nichts Großes, die meisten Möbel bleiben da, aber jeder hat doch ein paar Dinge, an denen er besonders hängt und die er einfach nicht missen möchte.«
Beinahe hätte Florian den Hörer fallenlassen. »Mach keinen Unsinn, Toni! Spätestens nach vier Wochen würdest du deinen Schritt bereuen!«
»Das glaube ich nicht. Ich habe mir die Sache reiflich überlegt und bin der Meinung, daß damit allen Beteiligten am besten gedient ist.«
»Überstürze nichts, laß uns morgen noch einmal darüber reden«, drängte Florian, »wir finden bestimmt wieder eine zuverlässige Putzfrau für dich, und bis wir die haben, kriegst du eben unsere Frau Klötzer. Ein paar dreckige Fenster und ein bißchen Staub auf dem Nachttisch sind doch kein Grund, ins Altersheim zu gehen!«
Jetzt war es Frau Antonie, die am Verstand ihres Schwiegersohnes zweifelte. »Ich weiß nicht, wovon du redest, Florian, ich habe weder die Absicht, ein Seniorenheim aufzusuchen, noch Frau Klaasen-Knittelbeek als Putzfrau einzustellen; vielmehr werden wir einen gemeinsamen Haushalt führen.«
Worauf das Gespräch abrupt endete, denn nun war Florian der Hörer tatsächlich aus der Hand gerutscht.
Mittlerweile gab es die Pabst-Klaasen-Knittelbeek'sche Symbiose schon seit über zwei Jahren, und allen Unkenrufen zum Trotz funktionierte sie. Zwar
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