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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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zu einem Telefonat zu sein schien. Jedenfalls zog ein befriedigtes Lächeln über das schwarze Gesicht, der junge Mann fing an zu wählen, und als er endlich aufgehört hatte, nickte er und reichte Tinchen den Hörer.
    Erst nach dem sechsten Läuten meldete sich eine verschlafene Stimme: »Hallo?«
    Im selben Moment fiel Tinchen ein, daß sie nicht an die Zeitverschiebung gedacht und ihre Mutter vier Minuten nach Mitternacht aus dem Bett geklingelt hatte. Ihr erster Impuls war, einfach aufzulegen, doch dann schalt sie sich einen Feigling, holte tief Luft und -
    »Hallo? Nun melden Sie sich wenigstens, wenn Sie schon die Unverschämtheit besitzen, um diese Uhrzeit anzurufen!«
    »Wieso Unverschämtheit?« fragte sie scheinbar erstaunt zurück, »achtzehn Uhr ist doch völlig normal! Guten Tag, Mutsch! Ich wollte mich natürlich schon gestern melden, aber …«
    »Nun hättest du ruhig auch noch bis morgen warten können, Ernestine«, klang es reichlich verschnupft durch den Hörer, »wer weiß, wann ich jetzt wieder einschlafen kann!«
    »Seit wann gehst du mit den Hühnern ins Bett?«
    »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, Kind, jedenfalls finde ich es ziemlich rücksichtslos, nachts um zwölf … nein, Dorothee, es ist nichts passiert, gehen Sie ruhig wieder schlafen, es ist nur Ernestine – siehst du, jetzt hast du Frau Klaasen-Knittelbeek ebenfalls aufgeweckt! Ich wäre dir dankbar, wenn du morgen zu einer gemäßigteren Zeit noch einmal anrufen würdest. Gute Nacht.« Es klickte, und dann legte auch das etwas verstörte Tinchen den Hörer auf.
    Nachdem der Rezeptionsmensch die Nummer ihres Bungalows notiert hatte, nur wegen der Rechnung natürlich, informierte er Tinchen, daß sie auch von dort aus telefonieren könne, denn zu diesem Zweck stünde ja in jedem Zimmer ein Apparat.
    »Jetzt kann sie lange warten, bevor ich noch mal anrufe!« wütete sie, nachdem sie Florian Tonis Monolog beinahe wortgetreu wiedergegeben hatte. »Ich habe nicht an den Zeitunterschied gedacht, kann ja vorkommen, mea culpa, aber muß ich mich deshalb wie eine dumme Göre abkanzeln lassen? Was versäumt sie denn schon, wenn sie nachts mal aufgeweckt wird?«
    »Ihren Schönheitsschlaf«, sagte Florian sofort, »den erwähnt sie doch immer. Außerdem besteht kein Grund mehr für einen Anruf, denn sie weiß jetzt, daß wir heil angekommen sind und die Formalitäten zur Rückführung unserer sterblichen Überreste noch nicht eingeleitet werden müssen. – Kann ich das hier anziehen?« Er hatte bereits geduscht, trug seine Leinenhosen mit – noch! – messerscharfer Bügelfalte und präsentierte Tinchen ein Hemd, das ihm seine Schwiegermutter mal aus Kärnten mitgebracht hatte. Es war hellblau und zeigte auf dem Kragen sowie auf der Knopfleiste gestickte Edelweißblüten. »Wunderschön, vielen Dank!« hatte er seinerzeit gestammelt und das Hemd an warmen Sommertagen sogar getragen, allerdings nur, wenn er bei Frau Antonie offiziell eingeladen war. Unterwegs hatte er natürlich immer ein Jackett drübergezogen und zugeknöpft. Nicht auszudenken, wenn ihn ein Bekannter in diesem Aufzug gesehen hätte!
    »Wie kommt das Hemd hier her?« fragte Tinchen denn auch entsetzt, »ich habe diesen Alptraum jedenfalls nicht eingepackt!«
    »Aber ich! Es ist herrlich bequem, und außerdem dachte ich, man sollte hier, wo es doch international zugeht, ruhig zeigen, aus welchem Land man kommt. Du weißt doch, daß ich mich auf englisch nicht unterhalten kann.« Er schlüpfte hinein und betrachtete sich im Spiegel. »Ich finde sogar, das Hemd steht mir!«
    Nachdenklich sah sie ihn an. »Flori, morgen bleibst du den ganzen Tag im Schatten, und bevor du schwimmen gehst, mußt du dir auch so eine Baseballkappe kaufen, damit rennt hier jeder rum, es fällt also gar nicht auf, wenn du sie auch mal im Wasser trägst, und falls du nicht sofort dieses Hemd ausziehst, kannst du alleine gehen, und ich lasse mir das Abendessen aufs Zimmer bringen! Das kann man nämlich, es kostet dich nur ein paar Dollar extra.«
    Er drehte sich zu ihr um, sah ihr ernstes Gesicht und warf sich laut lachend auf's Bett. »Tine, ich finde es herrlich, daß du nach fast dreißig Ehejahren immer noch auf jeden Blödsinn hereinfällst! Hast du ernsthaft geglaubt, ich würde mich so im Speisesaal blicken lassen?« Er sah an sich herunter und fing wieder an zu lachen. »Das Hemd habe ich mitgenommen, weil ich es dem Roomboy, einem von den Gärtnern oder sonst einem armen Schwein schenken

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