Hotel Mama vorübergehend geschlossen
will. Die Qualität ist wirklich erstklassig, getragen habe ich es so gut wie nie, und da in diesen Breitengraden mit Sicherheit keine Edelweiß wachsen, wird der künftige Besitzer sie hoffentlich als europäisches Gartengewächs ansehen und nicht als folkloristische Geschmacksverirrung.«
Doch das hatte Tinchen schon nicht mehr gehört. Sie war ins Bad gelaufen, hatte den Zahnputzbecher randvoll mit Wasser gefüllt und kippte ihn nun schweigend über Florians Kopf aus.
»Ihhhhh! Was soll denn das?« Jaulend sprang er hoch. »Bist du verrückt geworden?«
»Ich habe gelesen, daß man einen Sonnenstich am effektivsten behandelt, indem man dem Patienten Kühlung verschafft«, versicherte sie mit ernster Miene, »besser wäre natürlich ein Eisbeutel, doch da ich keinen …«
»Sagtest du Kühlung?« Er riß die Tür auf, nahm sein verdutztes Tinchen auf beide Arme und schleppte es trotz schreiendem Protest und heftig strampelnder Gegenwehr zum Strand, watete einige Schritte ins Wasser und ließ es fallen. »Ich habe leider auch keinen Eisbeutel zur Hand!«
Noch am selben Abend mußte der Hotelarzt dem Patienten Florian Bender eine Spritze gegen Hexenschuß verabreichen!
11.
Der Omnibus verschwand um die Ecke, und während Tinchen noch pflichtbewußt hinterherwinkte, obwohl von Maiers mit a-i nichts mehr zu sehen war, hatte sich Florian bereits abgewandt. »Eigentlich schade, daß sie weg sind, es war doch wirklich nett mit ihnen.«
Florian fand das auch, nur konnte er es nicht zugeben, weil er sich anfangs heftig gegen eine nähere Bekanntschaft mit Fiffi und Alfred gesträubt hatte. »Er ist ja ein ganz annehmbarer Typ, aber sie quasselt einem die Ohren ab!« Allerdings hatte ihn Fiffis Redseligkeit nur so lange gestört, bis er in Alfred eine gleichgesinnte Seele entdeckt hatte, die sich fürs Segeln interessierte, es im Gegensatz zu ihm, Florian, auch konnte, und außerdem im selben Metier tätig war. Jedenfalls im weitesten Sinne. Alfred war nämlich Verleger. Nur ein ganz kleiner offenbar, denn Florian hatte vom ALMA-Verlag noch nie etwas gehört, und er war unbedeutend genug, um den Großen in dieser Haifischbranche nicht gefährlich zu werden. Alfred verlegte naturwissenschaftliche Fachbücher, und weil speziell auf diesen Gebieten sehr intensiv geforscht und ständig neue Erkenntnisse gewonnen wurden, mußten Standardwerke immer wieder überarbeitet, ergänzt oder sogar komplett ersetzt werden.
»Millionär werde ich nie«, hatte Alfred gesagt, »aber wir können trotzdem ganz gut leben und meine Mitarbeiter ebenfalls. Ich habe noch keinen entlassen müssen, und meine Lehrlinge haben nach ihrer Prüfung immer gleich einen Job gefunden.«
»Die heißen Azubis, Alfi, wann merkst du dir das endlich?«
»Muß ich das? Als sie noch Lehrlinge hießen, waren sie viel besser drauf!«
Während Alfred und Florian die globalen Probleme erörterten, wobei ihnen die nicht mehr ganz aktuelle Tagespresse half (die Bildzeitung war meistens schon drei Tage alt, der einheimische ›Daily Gleaner‹ nicht allzu informativ und außerdem für Florian unverständlich, da in Englisch geschrieben), beschäftigten sich Tinchen und Fiffi mit weniger bedeutenden Themen wie der neuen Brigitte-Diät und den Folgen antiautoritärer Erziehung. Fiffi hatte zwar nur eine Tochter, jedoch drei Enkelkinder, und ein viertes war unterwegs. »Dabei haben wir ihnen voriges Jahr zu Weihnachten nicht nur einen neuen Fernseher geschenkt, sondern auch noch eine Satellitenschüssel.«
Für das Hobby ihres Mannes hatte Fiffi herzlich wenig übrig, weil sie auch nach vierundzwanzig Jahren Segeljolle immer noch seekrank wurde – »verheiratet sind wir seit einunddreißig Jahren, aber anfangs hat's bloß zu einem Paddelboot gereicht« –, und so war sie mehr als einverstanden, daß Florian für sie einsprang und Hilfsmatrose auf dem Katamaran wurde, den Alfred für die Dauer seines Aufenthalts gemietet hatte. Schon nach dem ersten Tag konnte er Backbord von Steuerbord unterscheiden, lernte dank schmerzlicher Erfahrung sehr schnell, daß er bei einer Halse tunlichst den Kopf einzuziehen hatte und daß für Notfälle immer ein Sixpack an Bord sein mußte. »Für welche Notfälle?«
Eine Flaute ohne Bier kann ziemlich langweilig werden, hatte Alfred gesagt und seinen Vorrat um weitere sechs Flaschen ergänzt, »manchmal dauert sie stundenlang.«
Während die beiden Männer gleich nach dem Frühstück ihr Boot bestiegen, um dann meist in
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