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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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plötzlich war die halbe Wand mit der roten Brühe bekleckert, und da hat einer gesagt, wir müßten die Farbe mit viel Wasser abwaschen. Haben wir ja auch gemacht, nur war am nächsten Tag nicht nur die Farbe fast weg, sondern auch die Tapete, und was nicht schon runterhing, hatte Wellen geschlagen. Na ja,«, schloß er seinen Bericht, »und seitdem haben mich jeden Morgen als erstes diese Jungmillionäre angeglotzt und mir klargemacht, daß Schulbildung überflüssig ist und stramme Waden eine viel bessere Voraussetzung für den finanziellen Erfolg sind. Willst du sie haben?« Auffordernd hielt er Florian die zusammengerollten Poster entgegen.
    Der schüttelte nur den Kopf, verließ das Zimmer und äußerte Tinchen gegenüber Bedauern wegen der doch so materialistisch eingestellten heutigen Jugend.
    Kurz darauf wunderte sich Tinchen auch, nur weniger aus ideellen als vielmehr sehr realen Gründen. Mit einem Korb voll gebügelter Wäsche betrat sie Björns noch immer unaufgeräumtes Zimmer. Der Herr des Chaos thronte auf einem neuen Bücherstapel und las
Asterix bei den Ägyptern.
Zur Begrüßung wedelte er mit dem Heft durch die Luft. »Kennst du das, Tante Tina?«
    »Natürlich! Das habe ich schon vor zwanzig Jahren gelesen.« Suchend sah sie sich um. »Wo soll ich das hinlegen?«
    Nur flüchtig blickte er auf und deutete mit dem Kinn zur Ecke, in der sich Jeans, T-Shirts, Pullover, Strümpfe, Unterwäsche und Schlafanzüge in textiler Gleichberechtigung stapelten.
    Mit lautem Krach ließ sie den Korb auf den Boden fallen und sah Björn erwartungsvoll an. Der hob nicht mal den Kopf. »Laß liegen, Tante Tina, ich heb's gleich auf. Den Korb bringe ich dir nachher runter.«
    Mit zwei Schritten war sie bei ihm, entriß ihm das Heft und wollte es in der Mitte durchreißen. Nur war es zu dick, sie schaffte es nicht auf Anhieb, worauf Björn ihr das Heft wieder aus der Hand nahm, in der Mitte aufschlug und langsam Seite für Seite entfernte. »Hast du das gemeint?«
    Sie ging gar nicht darauf ein. »Beabsichtigst du, deine Garderobe auch weiterhin auf diese Weise aufzubewahren?« – ein Blick streifte den Kleiderstapel in der Ecke –, »oder solltest du tatsächlich noch nichts von einem Kleiderschrank gehört haben? Sowas hatte man früher, und ältere Leute wie wir haben es auch heute noch. Im Prinzip ist es sowas Ähnliches wie dein Haufen da drüben, nur waren früher noch Bretter dazwischen.« Sprach's, schritt hocherhobenen Hauptes durch die Tür und knallte sie hinter sich zu.
    Es war ein beschämter und wesentlich stillerer Björn, der sich später zum Abendessen einfand. »Es tut mir leid, Tante Tina, ich habe mich wirklich großkotzig aufgeführt. Du hattest natürlich völlig recht, und wenn du nachher zur Stubenabnahme kommen willst, wirst du nichts mehr zu beanstanden haben.« Dann beäugte er mißtrauisch seinen Teller. »Hatten wir das nicht schon zu Mittag?«
    »Ja, aber Wiedersehen macht doch Freude.«
    »Hm«, sagte er kauend. »Bloß schmeckt's jetzt ganz anders als vorhin.«
    Tinchen lag schon im Bett, als Florian noch die Zahnpastatube zuschraubte und sich dabei im Spiegel betrachtete. »Kein Mensch würde mir glauben, daß ich gerade aus dem Urlaub gekommen bin. Jeder würde im Gegenteil vermuten, daß ich dringend einen nötig hätte. Was meinst du, Tine, ob die kommende Fünftagewoche wohl ausreichen wird, mich von den vergangenen vier Tagen zu erholen?«
    Das bezweifelte sie. Es war ja nicht nur Björn gewesen, der ihren normalerweise gut eingefahrenen Haushalt durcheinandergebracht hatte, es hatten sich natürlich auch Besucher eingefunden, um die Heimkehrer zu begrüßen. Ellen Hildebrandt zum Beispiel, die allerdings gleich eine Einladung zum Essen ausgesprochen und gemeint hatte, die Ferien-Berichterstattung habe bis dahin Zeit, zumal Tina jetzt bestimmt Wichtigeres zu tun habe.
    Karsten war ebenfalls aufgetaucht, diesmal in rothaariger Begleitung, die nicht Mini trug, sondern Maxi und sich auch sonst in erfreulicher Weise von ihrer Vorgängerin unterschied. Sie hatte sogar studiert, wie Karsten scheinbar beiläufig erwähnte, Philosophie und Psychologie, beides fängt mit P an, doch weitere Zusammenhänge zwischen den zwei Geisteswissenschaften vermochte Tinchen auf Anhieb nicht zu erkennen, und vor allen Dingen war ihr nicht klar, auf welche Weise Verena ihr erworbenes Wissen in bare Münze für weitere Gucci-Stiefeletten und Jackenkleider von Versace umwandeln könnte. Psychologen

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