Hotel Mama vorübergehend geschlossen
war
ihre
Idee gewesen und nicht die von Frau Ka-Ka, die im Gegenteil davon abgeraten und gemeint hatte, angezogen sähe die Vorderseite bei Größe XXL bestimmt wie ein ganzes Treibhaus aus.
Ein drohender Blick traf Tinchen, die prompt das herunterschluckte, was ihr auf der Zunge lag. Frau Antonie wechselte denn auch sofort das Thema. »Du glaubst nicht, Ernestine, was passiert ist, nachdem ihr abgereist seid! Gleich am nächsten Tag stand dieser Herr Voss an der Rezeption und fragte nach Dorothee. Das hätte ich ja auch akzeptiert, immerhin hatte er sich um sie gekümmert, als sie bei diesen Wasserfällen hilflos herumgeirrt war, nur hatte Dorothee diese reine Höflichkeitsgeste wohl anders gesehen. Jedenfalls hat sie sich zum Essen einladen lassen und ist erst gegen elf Uhr abends zurückgekommen. Und am darauffolgenden Tag ist sie mit ihm nach Kingston gefahren, ein Ausflug, den wir schon lange geplant hatten und natürlich gemeinsam unternehmen wollten. Ich bin nicht einmal zum Mitkommen aufgefordert worden!« Frau Antonie fächelte sich mit der Papierserviette Luft zu, so empört war sie. »Natürlich hätte ich einer solchen Aufforderung niemals Folge geleistet, aber ich hatte sie zumindest erwartet!« Zustimmung heischend sah sie sich um. »Oder was meinen Sie, meine Damen?«
Die Damen meinten gar nichts. Frau von Rothenburg nippte an ihrer Kaffeetasse, obwohl die bereits leer war, Frau Helmers suchte dezent hüstelnd nach einem Taschentuch. Und Tinchen meinte ganz harmlos: »Ich weiß wirklich nicht, was daran schlimm sein soll? Eigentlich müßtest du doch froh gewesen sein, mal einen Tag für dich allein zu haben.«
»Darum geht es ja gar nicht, Kind, selbstverständlich bin ich durchaus in der Lage, mich allein zu beschäftigen; ich hatte ja auch einen recht anregenden Nachmittag mit einer Dame aus Würzburg, Bibliothekarin, sehr gebildet natürlich – nein was ich zu bemängeln habe, ist Dorothees Benehmen. Man wirft sich doch nicht dem erstbesten Mann an den Hals, schon gar nicht in ihrem Alter!«
Darauf hätte Tinchen eine ganze Menge antworten können, doch sie überließ Frau Helmers das Wort, die gleich ein Beispiel aus ihrer weitläufigen Verwandtschaft zur Hand hatte. Danach sollte ein Großonkel mit zweiundachtzig Jahren zum drittenmal geheiratet haben, was man ihm sogar nachgesehen hätte, wäre nicht dieser beträchtliche Altersunterschied gewesen. Die jugendliche Braut hatte gerade mal achtundsechzig Lenze gezählt. »Wie alt ist denn dieser Herr Voss?«
Das wußte Frau Antonie nicht, auf jeden Fall sei er jünger als Dorothee, und über deren Benehmen hätte sie vielleicht sogar noch schweigend hinweggesehen, wenn nicht heute früh das Telefon geläutet hätte und dieser Mann dran gewesen wäre. »Aus Jamaika, das muß man sich mal vorstellen! Ruft an und will wissen, ob die liebe verehrte Frau Dorothee gut nach Hause gekommen sei!« Sie schnaufte vor Empörung. »Aber das war noch nicht alles! Auf's Wiedersehen freue er sich schon, hat er gesagt, am liebsten würde er mit dem nächsten Flugzeug zurückkommen, nur sei das bei Pauschalreisen leider nicht möglich, doch sobald er wieder in Deutschland sei, werde er ein Zusammentreffen arrangieren, und ob die verehrte Frau Dorothee den Thüringer Wald schon kenne?« Frau Antonie tupfte sich kleine Schweißtropfen von der Stirn. »Wie finde ich denn das?«
»Sag mal, Mutti«, begann Tinchen vorsichtig, »woher weißt du das alles?«
»Was alles?«
»Den Inhalt des Telefonats. Oder hat dir Frau Klaasen-Knittelbeek den genauen Wortlaut erzählt?«
»Nun, äh, das gerade nicht«, mußte Frau Antonie zugeben, was ihr sichtlich schwerfiel, »ich habe den Anruf natürlich sofort nach oben durchgestellt, nur habe ich wohl den Hörer nicht richtig aufgelegt, so daß ich zwangsläufig einiges mitbekommen habe. Andererseits wollte ich nicht mitten im Gespräch den Hörer auf die Gabel legen, denn das verursacht ein deutliches Knacken, und dann hätte man ja denken müssen, ich hätte
gelauscht.«
Nur mühsam konnte sich Tinchen einen Kommentar verbeißen, und den anderen Damen schien es genauso zu gehen, denn es herrschte ein ungemütliches Schweigen, bevor alle drei auf einmal zu reden begannen. Nur sagten sie nicht das, was Frau Antonie gern gehört hätte, vielmehr freuten sie sich für die liebe Dorothee, die schon so lange verwitwet sei, das Alter spiele doch nur eine untergeordnete Rolle, und bekanntlich sei Charlie Chaplin sogar mit
Weitere Kostenlose Bücher