Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Abbildungen von Tut-ench-Amuns Totenmaske geschmückt hatte und Plakaten von den Pyramiden. Natürlich nicht geklaut, sondern erbettelt. In einem Reisebüro!
Björn hatte ihn nicht für verrückt erklärt, sondern bedenklich seinen Kopf geschüttelt und Berechnungen angestellt. »Wenn wir die vier Boxen hinlegen und den Turm auseinandernehmen – hast du mal zwei oder drei Decken für den Transport? – könnte es gehen. Die Lexikothek stecken wir überall da hin, wo Platz bleibt, ich weiß nicht mal genau, wie viele Bände es inzwischen sind, irgendwas zwischen fünfunddreißig und vierzig, dann der ganze Schulkram, die Gitarre, das Fahrrad, Wanda …«
»Richtig!« unterbrach ihn Florian, »wer oder was ist Wanda?«
»Ich dachte, da wärste inzwischen selbst draufgekommen. Natürlich ein Goldfisch.« Erstaunt sah er seinen Onkel an. »Sag bloß, du hast den Film nicht gesehen?«
Florian konnte sich nicht erinnern, einen Film mit einem Goldfisch als Hauptdarsteller gesehen zu haben, hielt das auch nicht unbedingt für eine Bildungslücke, war jedoch beruhigt, daß sich Wandas Wirkungsbereich auf einen überschaubaren Lebensraum beschränkte und sie ihn nicht, wie dieser nervige Papagei, auf das ganze Haus ausdehnte. Tinchen hatte sich einfach noch nicht daran gewöhnt, ständig die Türen hinter sich zu schließen, damit der Vogel nicht raus – beziehungsweise – noch schlimmer! – nicht reinkonnte! Zum Beispiel ins Bad, wo er die halbe Badematte auseinandergenommen hatte.
Das Internat war bereits wieder zu neuem Leben erwacht. Florian hatte eine Art schwelender Ruine erwartet und nicht ein verhältnismäßig intaktes Gebäude, bei dem lediglich einige verrußte Fenster ohne Scheiben an den Brand erinnerten sowie ein Berg verkohlter Bretter, die in einer Ecke vor sich hingammelten.
Während Björn seine Habseligkeiten zusammensuchte und vor dem Wagen stapelte, wurde Florian zum Herrn Direktor gebeten, wo er außer Kaffee – entgegen seiner Befürchtung nicht Zichorien, sondern Bohnenkaffee – auch noch eine detaillierte Schilderung von Björns Charakter bekam. Demnach war der Junge ebenso intelligent wie faul, es mangele ihm an Disziplin, an Respekt nicht nur dem Lehrkörper gegenüber, sondern generell vor allen Vorgesetzten, was Florian zu der Bemerkung veranlaßte, daß Björn dann wohl eine Beamtenlaufbahn ausschließen müsse. Überhaupt sei der Knabe zwar bei seinen Mitschülern außerordentlich beliebt, jedoch nicht beim Kollegium, woraus dann auch die manchmal nicht ganz den Leistungen entsprechenden Zensuren resultierten. Man merke eben, daß Björn die väterliche Hand fehle, und deshalb sei es zu begrüßen, wenn er jetzt in einen intakten Familienverband käme. Ja, und dann sei da noch eine Rechnung von der Tierhandlung offen über 438,45 Mark, die man inzwischen beglichen habe, und ob der Herr Bender so freundlich wäre …
Der Herr Bender war so freundlich, schrieb einen Scheck aus und dankte im stillen seinem Bruder Fabian, der sich um die finanzielle Seite der – wie er es nannte – ›Familienzusammenführung‹ gekümmert und für Björns Unterhalt ein Konto eingerichtet hatte. Das von Florian stand aus gegebenem Anlaß ziemlich im Minus.
»Na, hat dich der Alte vollgesülzt von wegen Disziplinmangel und Respektlosigkeit?« Björn hatte den größten Teil seiner Sachen bereits verstaut und war dabei, jede Lücke mit großen dunkelroten Büchern vollzustopfen. »Vatis Weihnachtsgeschenk vom vorigen Jahr, dessen Ende ich dank einer Art Polyembryonie noch gar nicht absehen kann. Hier«, er drückte Florian die letzten sechs Bücher in die Hand, »kannst du die mal unter die Vordersitze legen? Hinten kriege ich sie einfach nicht mehr rein!«
Unter dem Gewicht wäre Florian beinahe in die Knie gegangen. »Was sind denn das für Wälzer?
- Lexikothek«
buchstabierte er den in Goldbuchstaben eingeprägten Titel, »
Völker der Kontinente Teil 1.
Toll, mußt du mir mal ausleihen!« Sorgfältig schob er die Bücher unter die Sitze. »Und jetzt erklärst du mir mal bitte, was dieses Poly … dingsda bedeutet. Ist das auch sowas, was es zu meiner Schulzeit noch nicht gegeben hat? Sowas wie Space-Shuttle, Teflonbeschichtung, Software, Pizza Primavera …?«
Björn sah seinen Onkel staunend an. »Ist das wahr? Das hast du alles nicht gekannt?« Er schüttelte den Kopf. »Dann frage ich mich beinahe, wie du bis zur Neuzeit überlebt hast!«
»Vermutlich zufriedener als ihr heute.« Er schloß
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