Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Fensterecke, wo Florian auf der dreistufigen Leiter thronte, wichtigstes Küchenmöbel überhaupt, ohne das Tinchen nie an die oberen Schränke herankommen würde.
»Ihr körnt ja mal nachsehen, ob im Vorratsschrank noch eine Packung steht«, gestattete sie gnädig. »Aber Apfelmus ist bestimmt nicht mehr da!«
Florian protestierte sofort. Puffer würden nur aus selbstgemachtem Teig richtig schmecken, er würde ja auch die Kartoffeln reiben, Apfelmus müsse nicht sein, bei drei Kellerregalen voll Eingemachtem von Toni würde sich bestimmt etwas Passendes finden, und wenn alle mithelfen würden, wäre man im Handumdrehen fertig.
»Ich habe doch bloß Spaß gemacht!« Björn sah aus wie das personifizierte schlechte Gewissen, »mir genügt ja Spiegelei auf Toast.«
»Kommt nicht in Frage, langsam kann ich keine Eier mehr sehen!« Florian rutschte von seinem Notsitz. »Kannst du Kartoffeln schälen?«
Die Arbeitsteilung klappte aber doch nicht so ganz. Nachdem Björn zwei faustgroße Kartoffeln auf Taubeneigröße geschrumpft hatte, nahm ihm Tinchen das Messer aus der Hand. »Das üben wir noch! Sieh lieber im Keller nach, ob du ein Kompott findest, das erst
nach
der Wende eingekocht worden ist!«
Er hatte gerade mit der Suche angefangen, als er seinen Onkel aufjaulen hörte. Sofort schoß er die Treppe wieder hoch. »Is was?«
»Ja, Selbstverstümmelung!« sagte Tinchen kurz, »hol mal'n Pflaster und dann ruf den Notarzt an! Sag ihm, er soll Blutkonserven mitbringen. – Lieber Himmel, Florian, du tropfst ja alles in den Kartoffelteig! Halt doch endlich mal den Finger unter die Wasserleitung!«
Wenig später stieg Florian mit verpflastertem und anklagend erhobenem Zeigefinger in den Keller, während Björn zur Reibe griff. »Wie hat er das bloß geschafft?« Nach der dritten Kartoffel wollte er wissen, ob es für solche Zwecke nicht ein arbeitserleichterndes Elektrogerät gäbe und nach der sechsten kam er zu dem Schluß, daß Reibekuchen aus der Packung eigentlich auch ganz gut schmeckten.
Das nächste Problem ergab sich, als die drei Köche vor der schon etwas unansehnlichen Pampe standen und nicht weiterwußten. »Einfach so kann man das nicht in die Pfanne tun, es sei denn, man stellt sich in einem Asbestanzug vor den Herd.« Ratlos rührte Björn in der Schüssel herum. »Das Zeug ist viel zu naß, es würde in alle Richtungen spritzen.«
»Vielleicht muß man es durch ein Tuch drücken, so wie bei Quark?« schlug Florian vor. »Tine, sag doch auch mal was!
Früher wäre sie ans Telefon gegangen und hätte ihre Mutter angerufen, doch diese Blöße wollte sie sich nicht mehr geben. Andererseits hatte sie selber für Kartoffelpuffer immer die Fertigmischung genommen, die man nur in Wasser einzurühren braucht. Toni hatte so etwas natürlich nie benutzt, nur hatte Tinchen vor ihrer Heirat einen Riesenbogen um jede Küche gemacht, was sie später allerdings oft genug bereut hatte. Egal, es wäre ja gelacht, wenn sie diesen verflixten Teig nicht hinbekäme! »Da müssen noch Zwiebeln rein!« erinnerte sie sich plötzlich. »Mindestens drei Stück. Die kannst du mal schälen, Björn, und gleich reinreiben.«
»Dann wird die Plempe ja noch flüssiger!«
Damit hatte er zweifellos recht, aber »Kartoffeln sind bekanntlich stärkehaltig, da dickt der Teig von allein nach. Laß ihn ruhig ein bißchen stehen, ich muß nur mal schnell für kleine Mädchen!«
Das mußte sie zwar nicht, aber sie öffnete und schloß sehr geräuschvoll die Toilettentür, bevor sie leise nach oben schlich. Ganz hinten in dem Regal mit Fotoalben, Reiseprospekten und dem anderen bebilderten Kram, den sie schon seit Jahren durchsortieren und ausmisten wollte, mußte noch das alte Kochbuch stecken, das sie seinerzeit von Oma Marlowitz zur Hochzeit bekommen hatte. Weil es nur noch aus losen Blättern bestand und so gar nicht mehr zu den vielen neuen Kochbüchern im Küchenregal paßte, in denen von Wachtelbrüstchen bis zu Französischer Käsetarte lauter Gerichte behandelt wurden, von denen sie noch nicht ein einziges gekocht hatte (und mit Sicherheit auch nie kochen würde!), hatte Florian jenes Schulkochbuch zum Altpapier gepackt, wo Tinchen es heimlich wieder herausgezogen und versteckt hatte. Wer weiß, ob sie es nicht noch mal brauchen würde. Autoren, die zwei Seiten lang Minz-Gelee mit Melonenbällchen abhandeln, geben sich nicht mehr mit simpler Hausmacherkost ab!
Und richtig, im Innaltsverzeichnis fand sie, was sie suchte:
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