Hotel Mama vorübergehend geschlossen
hinschicken!« Sie zog ihm den Parka aus. »Aber so wollte er nicht in den Kindergarten! Los, Tim, zeig dich mal der Omi!«
Der rannte jedoch los und verbarrikadierte sich in der Gästetoilette. »Hier komme ich überhaupt ni-hie mehr raus!« brüllte er. »Erst dann, wenn ich die ollen Sachen im Klo runtergespült habe. Jawohl!«
»Untersteh dich! Dann kriegst du einen Monat lang Fernsehverbot!« drohte seine Mutter, an der Klinke rüttelnd.
»Is mir egal!« kam es zusammen mit dem Gurgeln der Toilettenspülung zurück.
Jetzt hatte Tinchen genug. Sie schob ihre Schwiegertochter zur Seite. »Nun hör mir mal zu, Timmy. Es hat gar keinen Zweck, wenn du die Sachen im Klo runterspülst. Dazu sind sie viel zu groß, sie verstopfen bloß den Abfluß, kommen gleich wieder hoch, und dann hast du sie ja doch wieder zurück.«
Das schien ihm einzuleuchten. »Wie kriege ich sie denn anders weg?«
»Überhaupt nicht! Dazu waren sie viel zu teuer!« wütete Ulla. »Und jetzt kommst du sofort da raus!«
»Nein!« Und wieder das Geräusch der Spülung.
Tinchen wurde energisch. »Ich halte es für das beste, Ulla, wenn du jetzt gehst. Du hast doch bestimmt einiges vor, sonst wärst du nicht so früh gekommen. Wo ist denn Tanja?«
»Bei meiner Mutter«, sagte Ulla, dabei ein in Mickymauspapier gewickeltes Paket von Schuhkartongröße auf den Tisch legend. »Das Geschenk für Marvin.«
Tinchen hob es an. »Meine Güte, ist das schwer! Was hast du denn da drin? Duell-Pistolen?« fragte sie eingedenk der sich in letzter Zeit häufenden Meldungen über schießwütige amerikanische Kinder, doch Ulla schüttelte nur den Kopf. »Wo denkst du hin? Ich habe alles das gekauft, was die in dem Alter gerne essen, also Gummibärchen, Kaugummi, Müsli-Riegel, Kokosflocken, Kinderschokolade … na ja, eben einmal quer durch die Süßigkeitenregale an der Supermarktkasse.«
»Und obendrauf hast du hoffentlich einen Gutschein für Karies-Prophylaxe gelegt!« giftete Tinchen. »Dir ist wirklich nicht zu helfen!« Sie öffnete die Haustür. »Wenn du noch länger bleibst, könnte es sein, daß ich meinen vor sechs Jahren geleisteten Eid heute breche, und darauf solltest du es lieber nicht ankommen lassen!«
Ulla sah das ein, obwohl sie den tieferen Sinn dieser Drohung nicht verstanden hatte, aber die Augen ihrer Schwiegermutter waren ganz dunkel geworden und hatten so eigenartig gefunkelt, und das bedeutete in der Regel Vorsicht! Im Hinausgehen informierte sie Tinchen noch, daß der Geburtstag um fünfzehn Uhr beginne und Tobias seinen Sohn gegen neunzehn Uhr wieder hier abholen werde. »Wenn es länger dauern sollte, ruf ihn bitte vorher an!« Dann eilte sie schlüsselklappernd durch den Vorgarten zu ihrem am Straßenrand geparkten Wagen.
Vor sich hin lächelnd schloß Tinchen die Tür. Vier Stunden Geburtstag mit einem halben Dutzend noch nicht schulpflichtiger Kinder war nun wirklich das äußerste, was man als nur unzulänglich trainierte Mutter durchstehen konnte; jede Minute mehr konnte unkontrollierbare Reaktionen auslösen! Nicht umsonst hatte sich Tinchen immer schon Tage vorher gegrault, wenn eins ihrer eigenen Kinder Geburtstag hatte.
Vorsichtig öffnete Tim die Toilettentür. »Is Mami weg?«
»Ja, du kannst jetzt rauskommen.«
»Aber nur, wenn du nicht guckst!«
Gehorsam drehte sie sich um und beobachtete im Spiegel, wie sich Tim langsam durch die Tür schob, bevor er in Windeseile die Treppe hinaufstürmte. Nun konnte sie ihn verstehen! Zu einer grauen Flanellhose mit Bügelfalte trug er ein hellblaues Oberhemd und darüber eine offene, dunkelblaue Weste mit kleinen Teddybären. Eine ebenfalls dunkelblaue Fliege vervollständigte diesen albernen Aufzug.
Während sie noch überlegte, ob sie Tim erst einmal in Ruhe lassen oder ihm doch lieber hinterherlaufen sollte, hörte sie oben eine lachende Stimme: »Donnerwetter, Tim, gehst du diesmal als der kleine Lord zum Kinderkarneval?«
»Ach wo«, sagte Tinchen, ihren Enkel schnell wieder aus Florians Arbeitszimmer schiebend, »er geht lieber noch mal als Cowboy wie im letzten Jahr, stimmt's? Und jetzt läufst du nach oben ins Spielzimmer und ziehst dich um!«
Tim trabte ab, und endlich konnte Tinchen ihrem Herzen Luft machen. »Ulla wird jeden Tag dämlicher! Heute ist sie schon bei morgen!« Dann sprudelte sie alles heraus, worüber sie sich geärgert hatte und worüber sie sich garantiert noch weiter ärgern würde, und sie wußte auch schon, was das war. »Nun habe ich
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