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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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hast.«
    »Na, ich werde doch den ersten öffentlichen Auftritt meiner Enkel nicht versäumen!« meinte er vorwurfsvoll.
    »Den von deiner Tochter hast du damals aber!« erinnerte Tinchen.
    »Stimmt, nur hatte ich mir das Blockflötengepiepse doch schon wochenlang zu Hause anhören müssen.«
    »Unsinn! Da hatte sie das Flötenspielen längst wieder aufgegeben und mit Tanzen angefangen.«
    Das Licht ging aus, und damit verstummte auch das Stimmengemurmel. Aus einem Radiorecorder hinter der Bühne ertönte Marschmusik, der Vorhang öffnete sich, und dann hörte man eine aufgeregte Frauenstimme: »Nicht doch! Erst der Tusch!« Die Musik brach ab, der Vorhang fiel.
    Zweiter Versuch! Ein Fanfarenstoß, der Vorhang ging wieder auf, und von der Seite her stakste Tim auf die Bühne. Er hatte eine Goldpapierkrone auf dem Kopf und trug einen weinroten Umhang, in dem Tinchen unschwer Frau Antonies alte, jetzt zusammengenähte Übergardinen aus dem Mansardenzimmer erkannte. Sie schleiften mindestens fünf Meter hinter dem König her und wirbelten kleine Staubwölkchenhoch. Mit majestätischer Miene ließ sich Tim auf einem thronartigen Sessel nieder, in dem er fast versank, und wollte nunmehr königlich unterhalten werden.
    Die Musik wechselte. Es war unverkennbar der
Elephant's Walk,
doch auf die Bühne trippelten acht kleine Mädchen, an den langen Ohren und den aus alten Säcken hergestellten Kostümen sofort als Häschen zu identifizieren. Jeder Hase faßte das vordere Häschen um die Taille, und dann marschierten sie so lange um den Thron, bis die Musik abbrach und Trommelwirbel einsetzten. Ein Zotteltier sprang auf die Bühne, und hätte es nicht lauthals gebellt, dann hätte Tinchen eine Bergziege in ihm vermutet, denn sein Fell bestand aus einem alten Bettvorleger. Allerdings fusselte der Flokati so fürchterlich, daß der arme Hund zum Schluß nur noch gelegentlich bellen konnte, weil er dauernd niesen mußte. Als er plötzlich mitten unter die Hasen sprang und sie zu jagen begann, fing ein Häschen lauthals an zu schreien und flüchtete in des Königs Arme. Der benahm sich überhaupt nicht königlich; vielmehr schubste er das Häschen so heftig zurück, daß es stolperte und auf seinem Hosenboden landete. »Du sollst doch Angst haben und dann da hinten rauslaufen!« zischte er und wies mit königlicher Gebärde nach rechts, wo die Mütter standen, um ihre Hasen in Empfang zu nehmen. Häschen Tanja dachte jedoch nicht an die befohlene Flucht, sondern kroch schluchzend unter des Königs Thron. »Iß hab ja auch Angst! Der Benni hat sonst immer dann anders ausdeseht!«
    Hund Benni hatte inzwischen alle anderen Hasen verjagt, wußte nicht weiter, blieb an der Rampe stehen und blickte völlig verdattert ins Publikum. Der Vorhang fiel, und die Zuschauer klatschten stürmisch Beifall.
    Florian wischte sich die Lachtränen aus den Augen, während Thorsten den Videorecorder auf Stand-by-Betrieb schaltete und zufrieden absetzte. »Wenn das so weitergeht, kann ich für ›Pleiten, Pech und Pannen‹ eine ganze Sendung allein bestücken!
    Als sich der Vorhang wieder öffnete, lagen Matten auf der Bühne. Aus dem Recorder tönte eine flotte Melodie, zu der sich zwei gleichgekleidete Mädchen im Synchronturnen versuchten. Sie machten Handstand und Überschlag zur Brücke und Spagat, doch als sie ihre Darbietung mit Radschlagen beenden wollten, hatte eine von ihnen wohl die Richtung verwechselt, jedenfalls stießen sie zusammen und sanken weniger graziös als bisher auf den Boden, wo sie gleich sitzen blieben und mit gravitätisch nach oben gestreckten Armen den Applaus entgegennahmen. Er kam reichlich, und Florian, der eigentlich nur Tinchen zuliebe gekommen war, konnte nun die nächste Darbietung kaum erwarten. Es war ein Bauerntanz, der ohne nennenswerte Zwischenfälle verlief, wenn man davon absieht, daß eine Bäuerin ihren weiten Rock verlor und die letzten Takte im rosa Blümchenslip absolvierte. Gelächter, Applaus, Vorhang.
    Diesmal dauerte es etwas länger, bevor er sich wieder öffnete, doch dann bot sich den Zuschauern ein unerwartetes Bild: König Tim kniete gelangweilt auf seinem Thron und streckte den Zuschauern sein Hinterteil entgegen, nahm aber sofort wieder majestätische Haltung an, als er das Gelächter hörte. Neben ihm stand eine halbleere Flasche Sprudel, die vorher noch nicht dort gestanden hatte, doch ehe sie jemand wegräumen konnte, hüpften schon die Zirkuspferde in ihren bunten Kreppapier-Röckchen auf

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