Hotel Mama vorübergehend geschlossen
stellte sich denn schon hin und verzierte jede Scheibe Ei mit einem Gesicht?
»Is doch schon p-p-passiert!« schluchzte Tanja, und jetzt hätte Tinchen sie am liebsten schon wieder in den Arm genommen, nur verbot sich das momentan von selbst.
Frau Knopp war auch schon da. Neugierig lugte sie über den Zaun, konnte aber nicht genug sehen, weil die Ligusterhecke zu hoch war. »Was ist denn los? Warum schreit die Kleine so?«
»Sie spielt heute bei der Aufführung im Kindergarten einen Löwen und hat ein bißchen geübt.« Damit schob Tinchen das Kind vor sich her ins Haus und schloß die Tür.
»Du hast gelügt, Omi!« protestierte der vermeintliche Löwe sofort. »Iß bin doch ein Häßen!«
»Stimmt, Tanja, das habe ich verwechselt. Tim ist der Löwe, nicht wahr?«
»Gar niß, es dibt keinen Löwen, nur einen Hund, und der iß Benni. Tim iß doch der König!«
Während der Säuberung, die in der Küche ihren Anfang nahm und im Bad endete, gestand Tanja, wie es zu diesem Malheur gekommen war. Sie hatte die Schüssel auf der Treppe vor dem Haus stehen sehen, genau auf der mittleren Stufe, und sie schon mal zum Auto bringen wollen, während Tinchen noch »teleniert« hatte. Erst war sie ja nur ein bißchen umgekippt – »da war danz wenig rausdefallt, das habe iß dleich wieder reindetut« –, doch als sie die Schüssel hochheben wollte, ist sie runtergefallen, »einfach so«.
Später, als Tanja mit frisch gewaschenen Haaren und statt in ihrem hübschen Jeanskleidchen in einem Jogginganzug (etwas anderes war nicht dagewesen) zusah, wie Tinchen den Kartoffelsalat von den Stufen fegte, wurde ihr klar, weshalb Tanja von oben bis unten bekleckert gewesen war. Sie hatte nicht auf, sondern neben der Treppe gestanden und die Schüssel vermutlich in Augenhöhe vor sich gehabt.
Zum gründlichen Saubermachen war keine Zeit mehr, deshalb bedeckte Tinchen die unappetitlichen Überreste mit Björns immer noch herumliegender Begrüßungsgirlande. Sie hatte gerade den Besen zur Seite gestellt, als Frau Knopp durch die Gartentür trat. In der Hand trug sie eine dunkelbraune Plastikschüssel. »Ich hab' mir gedacht, wo doch nun die ganze Arbeit mit dem Kartoffelsalat umsonst war – machen Sie da immer Tomaten mit rein? – und weil ich doch gerade erst vorhin für dem Alois sein Stammtisch-Jubiläum Wurstsalat machen mußte, habe ich gedacht, ich gebe Ihnen was ab für den Kindergarten. Sie haben doch sicher gesagt, daß Sie was bringen, nicht wahr?«
Einerseits war Tinchen gerührt, andererseits empört, denn wenn Frau Knopp die Zutaten für ihren ganz speziellen Kartoffelsalat kannte, gab es dafür nur
eine
Erklärung: Ihre Nachbarin mußte erst einmal in den Garten geschlichen sein und nachgesehen haben, was überhaupt geschehen war, und hatte dann daraus ihre Schlüsse gezogen. Als eifrige Leserin des Lokalteils der Zeitung war ihr bestimmt nicht die Notiz über das Kindergartenfest entgangen, und daß die ›lieben Eltern‹ lange vorher aufgefordert wurden, durch entsprechende Spenden zum Gelingen der Veranstaltung beizutragen, war seit Jahrzehnten Tradition. Frau Knopp hatte also durchaus richtig kombiniert. Tinchen war ihr auch wirklich dankbar. Sie selbst konnte Wurstsalat zwar nicht ausstehen, doch im Rheinland erfreut er sich großer Beliebtheit. Im übrigen sah das, was Frau Knopp zusammengerührt hatte, ausgesprochen appetitlich aus – vorausgesetzt, es würde in ein etwas dekorativeres Gefäß umgefüllt. So bedankte sie sich überschwenglich, was ihr diesmal nicht schwerfiel, und schaffte es gerade noch, Tanja unauffällig den Mund zuzuhalten. Die hatte nämlich nach einem kurzen Blick in die Plastikschüssel angewidert das Gesicht verzogen, und zum Glück hatte nur Tinchen die entsetzte Frage verstanden: »Mußt du die Würmer essen?«
Aus gegebenem Anlaß fand das Fest im Gemeindesaal statt; nicht nur wegen der dort vorhandenen Bühne, sondern auch wegen der Größe des Raumes. Das vollzählige Erscheinen der Mütter wurde natürlich vorausgesetzt, die genaue Zahl war also bekannt. Nicht umsonst hatten sie sich auch immer an den Bastelabenden einzufinden und später stundenweise Dienst zu schieben, wenn die gebastelten Werke auf dem alljährlichen Weihnachtsbasar an den Mann beziehungsweise an die Oma gebracht werden mußten. Aber zum Kinderfest hatten gefälligst auch mal die Väter zu kommen! Schließlich waren sie ebenfalls um Sachspenden gebeten worden und hatten sie auch bereitwillig geliefert,
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