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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Er blieb sogar bis zum Andruck, stand mit großen Augen neben der riesigen Rotationsmaschine und wartete, bis die ersten Exemplare durchgelaufen waren. Dann nahm er eins in die Hand und sah sich ganz genau die beiden Seiten an, bei deren Gestaltung er zugeguckt hatte. »Ich glaube, mit so einem Job könnte ich mich anfreunden«, hatte er gesagt und wissen wollen, was man denn studieren müsse. Das sei egal, hatte Florian geantwortet, in der Sportredaktion gebe es sogar einen ehemaligen Studienrat für Französisch und Biologie, mit am wichtigsten sei die Fähigkeit, sich ausdrücken zu können, und welche Zensur Thorsten denn in Deutsch habe.
    »Meistens eine Zwei, aber die ist noch ausbaufähig.« Florian hatte genickt, dabei an seine eigenen Noten gedacht und sich an den Rat seines damaligen Klassenlehrers erinnert, Glasbläser zu werden oder Krabbenfischer, auf jeden Fall aber einen Beruf zu vermeiden, bei dem er mehr zu Papier bringen müsse als seine Unterschrift.
    »Hättest du Lust, mal einen kleinen Bericht über eine x-beliebige Veranstaltung zu schreiben?« Thorsten war sofort einverstanden gewesen, und Florian hatte versprochen, sich zugegebener Zeit zu melden. Er konnte den Jungen ja nicht als offiziellen Vertreter des Zeitspiegel einsetzen, mußte also etwas Unwichtiges finden, das trotzdem interessant genug war, im Lokalteil veröffentlicht zu werden, denn diese Genugtuung sollte Thorsten haben. Vorausgesetzt natürlich, er würde etwas halbwegs Druckreifes verzapfen. Peter Gerlach würde sich zwar mit Händen und Füßen wehren, etwas von Vetternwirtschaft faseln und von »Das kostet dich aber mindestens … und selbst das ist noch zu wenig!«, und zuletzt würde er sich ja doch breitschlagen lassen.
    Im übrigen war Florians Entgegenkommen nicht etwa von altruistischen, sondern im Gegenteil von ausgesprochen eigennützigen Motiven geprägt gewesen, denn Björn hatte sich unmerklich an den etwas älteren Thorsten angeschlossen – eine beginnende Freundschaft, die offenbar beiden gut bekam. Auch Tinchen hatte diesen bebrillten Struwwelkopf sofort in ihr Herz geschlossen, und diese Sympathie beruhte auf Gegenseitigkeit. Selten kam Thorsten ins Haus ohne eine kleine Aufmerksamkeit für sie; das konnte eine gerade erblühte Tulpe sein, deren Herkunft Tinchen lieber nicht erfragen wollte, ein Silberputztuch, weil sie das immer zu kaufen vergaß, oder auch nur eine Handvoll weißer Kieselsteine als Dekoration für einen Blumentopf – vermutlich im väterlichen Vorgarten aufgesammelt.
    Andererseits war Björn ein gern gesehener Besucher im Hause Evert, obwohl ein persönliches Kennenlernen der ›Erziehungsberechtigten‹ immer noch ausstand. Natürlich hatte man schon mehrmals miteinander telefoniert und sich jedesmal gegenseitig versichert, daß man demnächst aber ganz bestimmt …, und dann war doch wieder etwas dazwischengekommen.
    »Wie sieht denn Thorstens Mutter aus?« Ein paar Tage hatte Tinchen ihre Neugier unterdrücken können, länger nicht! Sie mußte doch wissen, was sie beim ersten Zusammentreffen anziehen sollte – leger oder elegant, großes Make-up mit vorher Friseur oder doch nur das übliche Haarewaschen und danach eine halbe Stunde fönen, damit es hinterher so aussieht, als sei man nur mal schnell mit den Händen durchgefahren. »Seinen Vater kenne ich ja, aber von seiner Mutter habe ich gar keine Vorstellung.«
    »Sie ist das genaue Gegenteil von dir, also ein richtig mütterlicher Typ, so ähnlich wie Tante Tonis Pavla, bloß älter, die vier M eben.«
    »Aha«, hatte Tinchen gesagt und staunend zugesehen, wie Björn einen Cracker nach dem anderen erst in der Becher mit dem Käseaufstrich tauchte und dann in den Mund steckte, »und was sind die vier M?«
    »Manche Männer mögen's mollig.« Sorgfältig hatte er den letzten Rest Käse aus dem Plastikbecher gekratzt, bevor er ihn fragend hochhielt. »Hebst du sowas auf?«
    »Nein, du kannst ihn ruhig mitessen«, hatte sie geseufzt und wäre nicht einmal verwundert gewesen, wenn er es getan hätte. Sie konnte sich zwar noch recht gut an die unbegrenzte Aufnahmefähigkeit von Teenagermägen erinnern und auch an die seltsamen Kombinationen wie Kartoffelchips mit Joghurt oder Schweinebraten mit Senf, doch was Björn manchmal zusammenrührte, hätte Tinchen nicht einmal ihren Augen zugemutet, geschweige denn ihrem Magen: Marinierten Hering auf einer Scheibe Hefezopf, gekrönt mit Fertigsahne aus der Sprühflasche. Da eine Schwangerschaft

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