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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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äußern. Es gibt Leute, die können einfach die Wahrheit nicht vertragen!«
    Florian drängte zum Aufbruch. Er müßte eigentlich schon längst in der Redaktion sein, gerade freitags sei immer der Bär los wegen der Sonderseiten für die Wochenendbeilage, und wenn die nicht spätestens bis …
    Das Telefon klingelte. ›Bin schon weg!‹ signalisierte Florian, zerrte seine Jacke vom Haken und stürzte aus der Tür. Die Jungs hinterher. Die Haustür blieb offen, dafür flog das Küchenfenster zu und der davorstehende Schnittlauchtopf runter. »Gleich werde ich hysterisch!« stieß Tinchen zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor, ehe sie den Hörer abnahm. »Ach, du bist es bloß«, sagte sie erleichtert, als sie die Stimme ihrer Schwiegertochter vernahm, »was gibt's denn schon wieder? Wenn du wissen willst, ob deine Sippe schon … Wie bitte? Ja, vor zehn Minuten, aber bei dem Verkehr … Was hat Tanja geschluckt? Aspirintabletten? Zwei Stück? Nein, ich glaube wirklich nicht, daß sie einen Arzt braucht. Was du machen sollst? Gar nichts. Oder doch: Sieh zu, daß sie Kopfschmerzen kriegt!« Damit knallte sie den Hörer auf die Gabel und murmelte: »Wie hoch war doch gleich der IQ von Knäckebrot?«

16.
    Das Telefon läutete. Tinchen stellte die Schüssel mit dem Kartoffelsalat auf der obersten Treppenstufe ab und lief zurück ins Haus. »Bin gleich wieder da!« rief sie Tanja zu, bevor sie den Hörer abnahm. Ulla war dran. »Hast du Kaffee im Haus?«
    »Selbstverständlich habe ich Kaffee im Haus, oder glaubst du, wir trinken jetzt auch Zichorie und Kirschblütentee?« Nachdem sich herausgestellt hatte, daß der ›Herr‹ Reiki kein Hausfreund und erst recht kein Herr war, sondern ein neu angebotener Kurs an der Volkshochschule, anscheinend irgendwas auf der esoterischen Schiene, hatte sich Tinchen über Sinn und Zweck erst einmal aufklären lassen. Richtig dahintergestiegen war sie zwar nicht, doch die Auswirkungen bekam sie ziemlich schnell zu spüren. Ulla hatte nämlich nicht nur ihren Tagesablauf umgestellt, sondern auch die Ernährung und fütterte ihre Lieben nun vorzugsweise mit Grünzeug. Seitdem sah Tinchen ihre Enkelkinder wesentlich öfter als früher, gar nicht zu reden von Tobias, der immer häufiger einen Grund fand, am Spätnachmittag ›mal schnell‹ vorbeizukommen und das mit seinen zwei Ablegern im Gefolge. Doch da Tinchen sowieso wieder regelmäßig kochen mußte, plante sie mögliche Gäste gleich mit ein. »Bei Reis und Nudeln ist das ja nicht so schlimm«, hatte sie erst vorgestern zu Florian gesagt, »aber schäl mal drei Kilo Karotten!«
    »Nimm Bohnen!« hatte er vorgeschlagen, ohne daran zu denken, daß man sie um diese Jahreszeit allenfalls im Delikatessengeschäft bekam, vermutlich einzeln zum Stückpreis.
    »Seit wann trinkt ihr denn wieder richtigen Kaffee?« In einer Hand hielt Tinchen den Hörer, mit der anderen tastete sie ihre Manteltaschen nach den Autoschlüsseln ab. Verflixt, wo waren die denn schon wieder?
    Zur eigenen Verwendung wolle sie den Kaffee natürlich nicht, sagte Ulla, sondern für das Fest. Außer mit Nudelsalat habe sie sich auch noch mit einem Pfund Kaffee in die Spendenliste eingetragen, nur leider vergessen, welchen zu besorgen, aber nun seien die Geschäfte zu, und es wäre doch blamabel, wenn sie jetzt ohne käme. Tinchen sah das ein und versprach, welchen mitzubringen. Sie hatte gerade eine noch verschlossene Packung gefunden, als es vor der Haustür klirrte und ein ohrenbetäubendes Geschrei einsetzte.
    »Hoffentlich hat sie sie nicht auf den Kopf gekriegt!« fiel ihr als erstes ein, während sie nach draußen stürzte. Die Lampe über der Haustür wackelte schon seit Wochen, nach jedem Sturm ein bißchen mehr, Florian hatte sie längst durch eine neue ersetzen wollen, war bloß noch nicht dazu gekommen, nun würde ihm wohl nichts anderes übrigbleiben … Ist ja auch wurscht, Hauptsache, Tanja war nichts passiert!
    Allem Anschein nach war sie noch intakt, verletzte Kinder stehen selten lauthals brüllend in einem Berg von Kartoffelsalat und sammeln Gurkenstückchen von ihrem Anorak.
    Es gibt Momente im Leben, da erwachen auch in einem friedliebenden, toleranten und innerlich gefestigten Menschen Mordgelüste! Und dies war so ein Moment! »Mach, daß du um die Ecke verschwindest!« schrie Tinchen los, »ganz schnell, sonst passiert was!« Mindestens drei Stunden Arbeit lagen da auf der Erde, eine davon allein wegen der Dekoration! Wer außer ihr

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