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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Polizist war, allerdings gerade auf einem Fortbildungskurs, doch Frau Stenzel hatte gesagt, sie werde den jungen Cibulski von gegenüber alarmieren, und der könne ja dann einen Suchtrupp zusammenstellen, schließlich sei er vor noch gar nicht langer Zeit Pfadfinderhäuptling oder sowas Ähnliches gewesen.
    Nachdem sie der nette Polizist am Telefon ein bißchen beruhigt und zugesichert hatte, daß man die beiden Ausreißer bestimmt bald wieder einfangen werde, hatte sich Tinchen mit einem doppelten Kognak Mut angetrunken und dann Ulla angerufen in der stillen Hoffnung, sie werde noch gar nicht zu Hause sein. Erst war der Hörer heruntergefallen, dann hatte eine wohlbekannte Kinderstimme gepiepst: »Mein Papa iß niß da!«
    »Tanja! Seit wann bist du zu Hause? Ist Tim auch da?«
    »Nein, der iß mit Papa noch mal wegdegeht. Wer bist du denn?«
    »Ich bin die Omi, und jetzt ruf mal ganz schnell die Mami!«
    »Welle Omi? Die Spinat-Omi?«
    »Nein, die andere. Holst du bitte die Mami ans Telefon?«
    »Die iß niß da.«
    »Bist du etwa ganz allein im Haus?«
    »Nee, 'türlich niß«, quiekte Tanja vergnügt.
    Manchmal könnte man diese Mistviecher auf den Mond schießen, dachte Tinchen erbittert, bevor sie einen weiteren Anlauf nahm. »Wenn du nicht allein bist, dann muß die Mami doch auch zu Hause sein, also hol sie endlich ans Telefon!«
    »Kann iß niß!«
    Innerlich kochte sie bereits, trotzdem zwang sie sich zur Ruhe. »Warum kannst du die Mami nicht holen?«
    »Die iß auf'm Klo.«
    Na also, das war wenigstens eine Auskunft, mit der sich etwas anfangen ließ. »Ist gut, Tanja, sag der Mami, daß ich nachher noch mal anrufen werde.« Dann fiel ihr etwas ein. »Warum habt ihr mir eigentlich nicht auf Wiedersehen gesagt, als die Mami euch abgeholt hat?«
    »Hat sie ja ganiß! Und der Opa hat zu Papa gesagt, du telenierst.«
    »Ist gut, mein Kleines, gute Nacht, und jetzt leg schön den Hörer auf, ja?«
    Spinat-Omi! Das fehlte gerade noch! Obwohl etliche Jahre jünger als Tinchen, hatte die ›gegnerische‹ Großmutter in manchen Dingen noch recht antiquierte Ansichten, und zu denen gehörte unter anderem die längst widerlegte Behauptung, daß Spinat viel Eisen enthalte und folglich überaus gesund sei. Tim und Tanja waren allerdings gegenteiliger Ansicht gewesen – davon hatte sie nicht mal der Werbespot mit dem bekannten Blupp abbringen können – und sich geweigert »diese olle grüne Pampe« zu essen.
    »Spinat ist nicht grün, Spinat ist sehr gesund!« hatte Ullas Mutter erwidert, nicht gewillt, von ihrer in frühester Kindheit geprägten Meinung abzuweichen. »Und deshalb werdet ihr jetzt auch alles aufessen!«
    Das hätte sie besser nicht sagen sollen! Tanja hatte zu heulen angefangen, und Tim hatte seinen Teller mit solchem Schwung von sich weggeschoben, daß ein Teil des gesunden Grünzeugs auf dem Tisch und der Rest, samt Teller natürlich, auf den weißen Fußbodenkacheln gelandet war. Tim hatte eins hinter die Ohren gekriegt, während Tanja die rhetorische Frage gestellt bekommen hatte: »Weißt du, was aus kleinen Mädchen wird, die ihren Spinat nicht essen wollen?«
    »Ja«, hatte Tobias gesagt, der nur den letzten Satz mitbekommen hatte und seiner plärrenden Tochter den Teller wegnahm, »die bleiben dünn, werden später Mannequins und verdienen viel Geld!«
    Seitdem hieß Frau Körngen zu Tinchens heimlicher Genugtuung bei den Kindern nur noch ›Spinat-Oma‹ und erfreute sich keiner allzu großen Beliebtheit. Als Babysitter wurde sie von ihnen nur in Ausnahmefällen akzeptiert, während Tinchen manchmal Doppelschichten fuhr. Natürlich verstand sie es, wenn ihre Schwiegertochter ihren Lebensinhalt nicht nur in Kindern und Kochtopf sah, sondern auch verschiedene Seminare an der Volkshochschule belegt hatte. Den Nähkurs zum Beispiel konnte sie wirklich gebrauchen, vielleicht würde sie doch eines Tages in der Lage sein, selber eine Kinderhose zu kürzen; und dieser Iß-mit-den-Augen-Kursus hatte ja auch schon Erfolge gezeitigt. Zwar schmeckte Ullas Nudelsalat noch immer ziemlich langweilig, doch er wurde jetzt wenigstens mit phantasievoll angeordneten Erbsen obendrauf und in Schneckenform zusammengelegten Maiskörnern serviert. Trotzdem würde es Tinchen manchmal begrüßen, wenn sich Ulla weniger um die künstlerische Gestaltung von Salatgurken kümmern würde und dafür mehr um die künstlerischen Ambitionen ihrer Tochter. Dann würde sich dieses begabte Kind vermutlich auf Buntstifte oder

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