Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Fingerfarben beschränkt und nicht versucht haben, ihre Toilettenschüssel mit zyklamefarbenem Nagellack zu verschönern.
Erst viel später, nachdem Tinchen die Polizei informiert und auch noch rechtzeitig, übrigens zu Bernd Cibulskis heimlichem Bedauern, die geplante Suchaktion nach den vermeintlichen Ausreißern abgeblasen hatte, konnte sie sich die ganze Sache zusammenreimen. Tobias hatte seine Kinder abgeholt, nachdem Florian bereits den Zettel für sie geschrieben hatte und gerade das Haus verlassen wollte. Vermutlich hatte er erzählt, daß sie, Tinchen, seit Stunden in der Weltgeschichte herumtelefoniere – er muß ja immer maßlos übertreiben! – und bestimmt nicht gestört werden möchte. Daraufhin waren alle gemeinsam abgezogen, und niemand hatte sich überlegt, was sie für Todesängste ausstehen würde! Na ja, Männer! Was konnte man von denen schon erwarten! Bis vierzehn entwickeln sie sich, und dann wachsen sie bloß noch!
3.
Zitternd stand Tinchen unter der Dusche. »Flori, das Wasser wird bloß lauwarm!«
»Dann dreh den anderen Hahn auf, das ist der mit dem roten Punkt oben drauf!« kam es undeutlich aus jener Ecke zurück, in der Florian sich gerade das Kopfkissen über's Gesicht gezogen hatte und krampfhaft versuchte, nicht aufzuwachen. Heilig Abend! Oder, noch schlimmer, Heilig Morgen, denn bis zum Abend würden hoffentlich die hektischen und jedesmal zu einer mittleren Familienkrise führenden Vorbereitungen weitgehend abgeschlossen sein, so daß der gemütliche Teil des Tages beginnen konnte. Doch bis dahin waren es fast zehn Stunden, und wenigstens eine davon gedachte Florian noch im Bett zu verbringen. Tinchen würde ihn schon früh genug vereinnahmen! Mit Sicherheit würde er zuallererst den Baum eintopfen müssen. Im letzten Jahr hatte er doch tatsächlich noch kurz vor Ladenschluß in die Stadt fahren und einen neuen Christbaumständer besorgen müssen, weil bei dem alten die Schrauben verrostet gewesen waren! Erst im dritten Kaufhaus hatte er so ein Ding bekommen, natürlich viel zu teuer, aber die billigen waren schon alle ausverkauft gewesen. Dann würde er die Kerzen anbringen müssen, was in der Praxis bedeutete, erst mal die meterlangen Strippen zu entwirren, und das war eine Heidenarbeit! Früher war das immer relativ schnell gegangen, aber seitdem vor ein paar Jahren diese Mini-Kerzen modern geworden waren, von denen mindestens zweihundert Stück brennen mußten, damit man überhaupt die Geschenke unterm Baum erkennen konnte, sahen die Zuleitungen hinterher wie Nato-Draht aus und waren auch ähnlich störrisch.
Ganz bestimmt würde auch wieder etwas fehlen, Malventee für Frau Antonie zum Beispiel oder Papier zum Einwickeln von dem vermißten Geschenk, das Tinchen vor Wochen schon gekauft, versteckt, seit Tagen gesucht und gestern doch noch gefunden hatte … Florian konnte sich nicht an ein einziges Weihnachtsfest erinnern, an dem er nicht noch von seiner Frau zwecks Beschaffung eines unerläßlichen Artikels durch die Gegend gehetzt worden war. Einmal war es sogar Klopapier gewesen, weil sie Besuch erwartet hatten und Tinchen sich geweigert hatte, auch in der Gästetoilette eine Küchenrolle aus grauem Recyclingpapier aufs Fensterbrett zu stellen. Das könne man notfalls im Badezimmer machen, da käme ja niemand rein. Dann war aber doch die Spinat-Omi reingekommen, die damals allerdings noch nicht so geheißen hatte, denn es war ihr erster Besuch im Hause Bender gewesen. Tinchen hatte sich schrecklich geschämt und von da an Toilettenpapierrollen nur noch im Dutzend gekauft.
»Was hältst du davon, wenn du endlich aufstehen und dich mal um die Wasserversorgung kümmern würdest! Da stimmt nämlich was nicht!« Das große Handtuch umgewickelt, ein kleineres um die nassen Haare, stand Tinchen vor dem Bett und versuchte, ihrem unwillig grunzenden Ehemann die Decke zu entreißen.
Nun kann man nicht mit zwei Händen ziehen und gleichzeitig ein rutschendes Badetuch festhalten, jedenfalls stand Tinchen plötzlich nackend da, bibberte, weil ihr ohnehin schon kalt gewesen war, und verlangte ins Bett gelassen und aufgewärmt zu werden. Was Florian dann auch bereitwillig tat.
»Könnten wir nicht einfach bis Silvester hier liegenbleiben, uns dann ein paar Stunden lang besaufen, den Neujahrstag verschlafen und erst wieder aufwachen, wenn das neue Jahr schon mindestens 36 Stunden alt ist?« murmelte Florian, sein Tinchen an sich ziehend. »Stell dir das bloß mal vor! Kein
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