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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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Entschuldige, Tina, aber dieser blöde Bengel kann's einfach nicht abwarten. Er spielt im Schülertheater den dritten Charakterzwerg und behauptet, ohne Kostüm könne er bei den Proben seine Rolle nicht richtig nachempfinden. Dabei hat er genau fünf Sätze zu sagen!«
    »Wo, bitte, kommen Charakterzwerge vor?« wollte Tinchen wissen, die sich noch allzugut an die Kindergarten- und Schulzeit ihrer eigenen Nachkommen erinnern konnte und an die unzähligen Aufführungen, die sie über sich hatte ergehen lassen müssen.
    »Solltest du etwa das Märchen von Schneewittchen und den sieben Zwergen nicht kennen?« fragte Katrin lachend.
    »Natürlich, aber da sind die Zwerge doch bloß ganz normale Zwerge, und daß sie Charakter haben, hatte ich schon immer bezweifelt. Statt Schneewittchen ins Haus zu sperren und als billiges Dienstmädchen zu mißbrauchen, hätten sie rechtliche Schritte gegen die Stiefmutter unternehmen müssen!«
    »Dazu hätten sie nicht genug Beweise gehabt!« kam es prompt zurück. »Aber du hast doch bestimmt nicht angerufen, um über die Logik von Märchen zu debattieren. Liegt irgendwas Besonderes an?«
    »Ja, Weihnachten.«
    »Das ist doch nichts Besonderes, sondern nur eine Vervielfältigung des ganz normalen Wahnsinns, wie er üblicherweise in einer Familie mit Kindern herrscht. Er potenziert sich lediglich vor Geburts- oder Hochzeitstagen, Ostern, Pfingsten, Urlaubsbeginn, Besuchsankündigungen und ähnlichen Ereignissen. Weihnachten gehört natürlich auch dazu, aber letztendlich ist es doch egal, ob ich nun drei Ostertorten backe – irgendwas muß man mit den ausgeblasenen Eidottern ja machen! – oder sechs Bleche voll Plätzchen in den Ofen schieben muß. Die Küche sieht hinterher sowieso wie ein Schweinestall aus!«
    Tinchen lachte laut los. Nicht umsonst mochte sie von der ganzen angeheirateten Verwandtschaft Katrin am liebsten. Genauso hätte sie sich ihre Schwiegertochter Ulla gewünscht – so unkompliziert, so patent, so humorvoll, so schlagfertig und auch noch meistens gutgelaunt. Daß sie darüber hinaus eine hervorragende Hausfrau und Köchin war und ihre beiden Jungs prima im Griff hatte, konnte noch als zusätzliche Pluspunkte gewertet werden. Zugegeben, sie war ein rundes Dutzend Jahre älter als Ulla und hatte folglich mehr Lebenserfahrung, aber Humor und Selbstironie sind nun mal Eigenschaften, die man nicht erlernen kann.
    »Bist du noch dran?« vergewisserte sich Tinchen, nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, »ich wollte dich nämlich fragen, ob ihr am zweiten Feiertag raufkommen wollt. Es gibt Gänsebraten und jede Menge Familie.«
    Pause. Dann: »Das willst du dir wirklich antun?« Und gleich danach: »Sind meine Schwiegereltern auch dabei?«
    »Gisela hat sich schon vor sechs Wochen angemeldet, ob Fabian mitkommt, muß ich erst noch rauskriegen.«
    »Umgekehrt wär's weitaus besser, aber man kann ja nicht alles haben! Wer kommt denn sonst noch?«
    »Na ja, meine Sippe wird wohl geschlossen einreiten, dann hat Rüdiger zugesagt, übrigens mit Begleitung, wer immer das auch sein mag, Melanie hat ihr Erscheinen zumindest in Aussicht gestellt – ihr Jetziger heißt übrigens Jean-Pierre, oder ist das noch derselbe wie im Sommer? Namen kann ich mir ja nie merken! –, nur Urban kommt nicht. Kann ich ihm auch nicht verdenken, in Brunei sind die Temperaturen zur Zeit entschieden angenehmer als hier bei uns.«
    »Der Junge macht sich ziemlich rar, findest du nicht?«
    »Kannst du's ihm verdenken? Er hat einen interessanten Job, verdient einen Haufen Geld, von dem er das meiste auf die hohe Kante legen kann, weil er weder für seine Luxusbehausung noch für das Personal einen Pfennig zahlen muß …«
    »… und ich kriege nicht mal für teures Geld eine einfache Putzfrau!« stöhnte Katrin. »Warum kann Clemens nicht auch für den reichsten Mann der Welt arbeiten? Der Sultan braucht doch nicht bloß Ingenieure, sondern bestimmt auch Ärzte. Schon wegen seiner europäischen Mitarbeiter.«
    »Dann hätte dein Mann nicht Neurologe, sondern Psychiater werden sollen! Die kriegen da unten doch alle irgendwann den Wüstenkoller oder fangen das Saufen an, meistens ergibt sich das eine aus dem anderen.«
    »Und welches Stadium, glaubst du, hat Urban schon erreicht?«
    »Weiß ich nicht, aber als er das letztemal mit mir telefoniert hat, hatte er gerade seinen Vertrag noch mal um ein Jahr verlängert. Danach will er endgültig aufhören, schon der Kinder wegen. Björn haßt das

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