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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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das wissen Sie ja sicher.« Er verabschiedete sich und ließ Tinchen unwissend zurück. Sie hatte lediglich verstanden, daß sie nicht sofort auf den orangenen Knopf drücken durfte, und die Aussicht, noch mindestens zwei weitere Stunden frieren zu müssen, denn früher würde das Haus nicht mal lauwarm werden, fand sie ausgesprochen deprimierend. »Dann muß ich mich eben innerlich erwärmen«, entschied sie, schaltete den Wasserkocher ein und füllte vier Eßlöffel Darjeeling in die Teekanne. Zuletzt holte sie noch die Rumflasche aus dem Wohnzimmer, und als das Wasser kochte, goß sie den Tee auf.
    Es dauerte noch fast eine Stunde, bis Florian zurückkam, stolz eine große Tüte schwenkend. »Ich hab's geschafft! Im dritten Geschäft. Natürlich war der Laden schon zu, aber die Wohnung lag obendrüber, und da hab ich einfach geklingelt. Hat ja auch geklappt. Heute haben doch alle ihren sozialen Touch. Wienerle gab's allerdings nicht mehr, nur noch Cocktailwürstchen. Die schmecken aber genauso, und man merkt wenigstens nicht, wie viele man in sich reinstopft. War der Heizölmensch schon da? – Tine!«
    Später hätte er nicht sagen können, wie lange er gebraucht hatte, um seine nahezu volltrunkene Ehefrau wieder nüchtern zu bekommen, doch es war ihm schließlich gelungen. Nicht zuletzt dank seiner Erfahrungen aus längst vergangenen Bundeswehrzeiten. Die bewährte Methode basierte auf einer ausgiebigen kalten Kopfdusche – der schwierigste Teil des ganzen Unternehmens, bei dem auch Florian klatschnaß geworden war –, einem nachfolgenden Cocktail aus lauwarmem Mineralwasser mit einer gehörigen Portion Salz angereichert, gefolgt von einer Zehnminutenpause über der Kloschüssel, danach Bettruhe. Nach angemessener Zeit vorsichtiges Wecken der Patientin – es empfiehlt sich, hinter der halbgeöffneten Tür zu warten, bis alle erreichbaren Wurfgeschosse ihr Ziel verfehlt haben –, beruhigendes Zureden sowie Aspirin und schwarzer Kaffee.
    »Is Weihnachten nu vorbei?« wollte Tinchen wissen, noch im Halbschlaf und keinesfalls gewillt, aufzustehen und welchen wie auch immer gearteten Pflichten nachzukommen.
    »Noch nicht«, sagte Florian mit aufreizender Munterkeit, »aber du brauchst nichts weiter zu tun als dich in aller Ruhe anzuziehen und feinzumachen. Alles andere habe ich schon erledigt. Vielleicht könntest du vorher nur noch schnell den Kartoffelsalat machen und die Pilzsuppe nachwürzen. Es waren bloß drei Tüten da, deshalb mußte ich sie verlängern, aber nun schmeckt sie ziemlich labberig. Als Dessert gibt's Emmentaler Würfel mit Weintrauben obendrauf. Das war vielleicht 'ne Arbeit, bis ich die Köpfe von den Streichhölzern …«
    Mit einem Ruck saß Tinchen aufrecht im Bett. »Heißt das, du hast die Weintrauben für irgendwelche dämliche Käsewürfel verbraucht? Die hatte ich für den Obstsalat gekauft, und den soll es übermorgen geben! Weißt du überhaupt, was blaue Trauben um diese Jahreszeit kosten?«
    Florian gab zu, das nicht zu wissen, erklärte sich aber trotzdem bereit, gleich morgen im Hauptbahnhof neue zu holen.
    »Das fehlte noch!« knurrte sie wütend, »da wird bestimmt jede einzelne Beere in Silberpapier gewickelt und stückweise verkauft.«
    Er sann nach einem Ausweg. »Wenn's nur wegen des Farbeffekts ist, dann mach doch ein Glas von Tonis Zwetschgen auf! Glaubst du, den Unterschied merkt jemand?«
    »Wahrscheinlich nicht«, räumte sie ein, »aber lila Pflaumen gehören nun wirklich nicht in einen Obstsalat.« Seufzend kroch sie aus dem Bett. »Wie spät ist es eigentlich?«
    »Achtzehn Uhr siebenunddreißig. Du hast also noch anderthalb Stunden Zeit, bevor die ersten Gäste kommen.«
    »Denkste! Toni steht spätestens kurz nach sieben auf der Matte, und ich gehe jede Wette ein, daß Tim und Tanja bereits jetzt gestiefelt und gespornt auf den Nerven ihrer Eltern herumtrampeln. Die warten nicht bis acht. – Gibst du mir mal den Bademantel rüber?«
    Fünf Minuten später hatte sich Tinchen einen Überblick verschafft und teils dankbar, teils entsetzt registriert, daß Florian ganze Arbeit geleistet hatte. Die Blautanne stand kerzengerade in ihrem Ständer und war behängt mit allem, was er in der großen Weihnachtskiste gefunden und was Tinchen schon seit langem ausrangiert und bloß vergessen hatte wegzuwerfen. Dazu gehörten sowohl die herzigen Figuren der Himmelsbäckerei als auch die Glaskugeln mit den Nikoläusen innendrin, die Julia mal in einer Schul-Tombola gewonnen

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