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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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in der Mitte, und Clemens hatte endlich Zeit genug, seinem Ältesten die Grundzüge vom Schach beizubringen. Dafür mußte ich mit Michael Memory spielen! Sechs Partien, und nicht eine habe ich gewonnen!«
    »Versuch's erst gar nicht, anscheinend haben alle Kinder unter zehn ein fotografisches Gedächtnis. Gegen Florian gewinne ich immer, gegen Tim nie! Und Tanja hat auch schon begriffen, worum es geht, meine nächsten Blamagen sind also vorprogrammiert.«
    Katrin hatte die Kartoffeln gerieben, die Hände gewaschen und sah sich nach einer neuen Betätigung um. »Hast du schon den Tisch gedeckt?«
    »Das haben gestern abend noch Julia und Rüdiger gemacht, und ich muß ehrlich zugeben, daß ich es nicht so hingekriegt hätte. Komm mit, ich zeig's dir, aber sei leise, sonst hört uns Gisela.«
    Die saß vor einem Glas Sherry im Wintergarten und ließ mit gelangweilter Miene den Wortschwall ihrer beiden Enkel über sich ergehen. »Das ist sehr schön, Michael«, sagte sie gerade, worauf der Junge sie fassungslos anstarrte. »Das findest du schön, wenn ich in der Garageneinfahrt ausrutsche und in den Matsch fliege? Ich glaube, so schnell habe ich mich in meinem ganzen Leben noch nie umgezogen, und trotzdem hätten wir beinahe den Zug verpaßt.«
    »Man geht auch früh genug aus dem Haus. Ich jedenfalls habe noch nie einen Zug versäumt.«
    Da gab es Michael auf. Er zog seinen Bruder am Ärmel, und dann schlichen sie ganz leise rückwärts aus dem Wintergarten, genau in Katrins Arme. »Sag mal, Mutti, tickt die Oma eigentlich ganz richtig? Die hat doch tatsächlich gesagt, daß …«
    Schnell hielt Katrin ihrem Jüngsten die Hand vor den Mund. »Ruhe! Du weißt doch, daß die Oma oft mit ihren Gedanken ganz woanders ist, aber trotzdem
tickt sie noch richtig.«
Sie dirigierte ihre Sprößlinge in Richtung Treppe. »Seht mal nach, ob ihr Onkel Florian da oben findet, und wenn nicht, dann geht rauf ins Spielzimmer. Tim und Tanja werden bestimmt auch bald kommen.« Dann ließ sie sich von Tinchen ins Eßzimmer führen. »Großartig!« meinte sie nach einem kurzen Rundblick. »Das hast du diesmal wirklich prima gelöst.«
    »Nicht ich! Das ist das Jungvolk gewesen. Auf
die
Idee wäre ich nämlich niemals gekommen!«
    Statt einer langen Tafel, die immer aus drei zusammengeschobenen Tischen bestanden und vom Eßzimmer durch die geöffnete Schiebetür ins halbe Wohnzimmer gereicht hatte, hatten sich Julia und Rüdiger für drei einzelne Tische entschieden. Rechts und links sollten jeweils acht Personen sitzen, in der Mitte, also von zwei Seiten erreichbar, stand der Tisch für die vier Kinder. Er hatte eine lustige Plastikdecke bekommen, und neben jedem Gedeck lagen jeweils vier Servietten, jede in einer anderen Farbe. »Gute Idee, eine Serviette hat noch nie gereicht«, stimmte Katrin zu.
    Auf den zwei anderen Tischen lagen natürlich weiße Damasttücher. Tinchen hatte sie damals von ihren Eltern zur Hochzeit bekommen, weil Frau Antonie der durchaus zutreffenden Ansicht gewesen war, daß sich ihre Tochter diese Grundpfeiler der gehobenen Gastlichkeit niemals selbst kaufen würde. Tinchen benutzte die ›Leichentücher‹ auch nur zu Weihnachten und allenfalls noch mal zu Ostern, und jedesmal mußte sie sie vorher in die Waschmaschine stecken, weil sie vom langen Liegen bräunliche Knickfalten bekommen hatten. Mit den passenden Servietten, gleich vierundzwanzig Stück, war es auch nicht anders.
    Das ›gute‹ Porzellan, Hochzeitsgeschenk ihrer Schwiegereltern, reichte nur für zwölf Personen und war eindeutig der Stil der sechziger Jahre. Am Rand lugten zwischen Schilfbüscheln grau-rosa Flamingos hervor, vielleicht waren es ja auch Reiher, so genau wollte sich Tinchen nicht festlegen, und in der Mitte eines jeden Tellers befand sich ein bambusumwachsener See. In ihren Augen war dieses Dekor Schlichtweg häßlich, Frau Antonie bezeichnete es als ›beinahe schon antik‹, und Florian hätte das ganze Geschirr schon vor Jahren am liebsten auf den Flohmarkt getragen. Das hatte er aber nicht gedurft, denn es gab natürlich noch das dazu passende Kaffeeservice, und das benutzte Tinchen vergleichsweise oft. Nämlich immer dann, wenn ihre anderen Tassen alle in der Spülmaschine standen und sie mal wieder vergessen hatte, sie einzuschalten.
    Also war Florian zu seiner Schwiegermutter geschickt worden, und Frau Antonie hatte ihr ›gutes‹ Hutschenreuther-Porzellan, weiß mit Streublümchen, in einen Wäschekorb gestellt und war

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