Hotel Mama vorübergehend geschlossen
trink erst mal, ich glaube, du kannst es vertragen.« Und als er Fabians zweifelndes Gesicht sah: »Tinchen kann es auch nicht ausstehen, wenn ich schon vormittags eine Fahne habe, aber ich glaube, heute verzeiht sie's mir. Prosit!«
Nach dem zweiten Schnaps fiel Florian ein, daß er seiner Schwägerin ein Glas Wasser bringen sollte. Er nahm eins aus dem Schrank, drehte den Warmwasserhahn auf und ließ es vollaufen. »Was nimmt sie denn für Pillen?«
»Frag mich was Leichteres!« Fabian goß den restlichen Schnaps in sein Glas und trank es aus. »Wahrscheinlich was für die angegriffenen Nerven. Zweimal in der Woche rennt sie zu so einem Psychoanalytiker, aber wenn diese Brüder auch nicht mehr weiterwissen, verschreiben sie was.« Er plierte seinen Bruder an. »Sag mal, stimmt es, daß sich viele Frauen in ihren Seelenklempner verlieben?«
»Keine Ahnung, Tinchen ist noch bei keinem gewesen.«
»Gisela hat schon den dritten, und ich warte immer noch darauf, daß sie sich verliebt. Vielleicht wird sie dann wieder normal.«
»Ist sie das denn jemals gewesen?« Florian kippte einen Teil des Wassers aus und ließ kaltes nachlaufen. »Das war 'n bißchen zu heiß.« Dann wischte er das Glas am Handtuch ab und setzte sich in Marsch. An der Tür drehte er sich nochmal um. »Könnte es sein, daß du was verwechselt hast? Frauen verlieben sich doch in ihre Gynäkologen, mit den Psychiatern schlafen sie bloß.« Er grinste. »Hab ich unlängst in einem amerikanischen Film gesehen. Aber muß ja nicht mehr stimmen«, fügte er tröstend hinzu, »es war ein ziemlich alter Film.«
Während Tinchen sich von Gisela erzählen ließ, daß sie ihr Haus in der Nähe von Heidelberg erst renoviert und dann zum Teil auch neu möbliert hätten, »weil man sich solch einen Wechsel gelegentlich schuldig ist«, saß sie wie auf Kohlen. Die Klöße mußte sie noch machen, den Rotkohl aufs Feuer bringen, die Bananen für den Obstsalat mußten noch geschnippelt werden, die kamen immer erst kurz vor dem Servieren rein, weil sie sonst so unansehnlich braun wurden … »Du hast ja recht, Gisela«, sagte sie auf gut Glück, denn sie hatte kaum zugehört, »wir Frauen haben schon immer mindestens drei Möglichkeiten gehabt, mit einer häuslichen Krise fertigzuwerden: Heulen, zum Scheidungsanwalt rennen oder die Möbel im Wohnzimmer umstellen.«
»Wer sagt denn, daß es eine Krise gegeben hat? Ich pflege immer alle paar Jahre …«
»Entschuldige, Gisela, daß es so lange gedauert hat, aber ich mußte erst ein sauberes Glas auftreiben. Unsere guten stehen nämlich auf dem Eßtisch und die weniger guten in der Spülmaschine.« Mit einer Verbeugung überreichte Florian das geriffelte Preßglas, in dem Tinchen immer ihre Petersilien- und Schnittlauchbündel frisch hielt. Gelegentlich bekam es auch mal Tim, wenn er mit Wasserfarben hantierte, oder Florian benutzte es vor kleineren Reparaturen zum Anrühren von Tapetenkleister. Nur getrunken hatte noch nie jemand daraus.
Er ging zurück in die Küche, wo sein Bruder inzwischen die Kaffeemaschine munitioniert hatte und nun zusah, wie die braune Flüssigkeit in die Kanne tropfte. »Die Idee mit dem Schnaps ist nicht so gut gewesen! Ich trinke nämlich nie welchen, und jetzt ist mir das Zeug regelrecht in den Kopf gestiegen. Meinem Sohn würde ich aber ganz gern nüchtern gegenübertreten.« Fragend sah er Florian an. »Rüdiger ist doch hier?«
»Hier schon, aber nicht da!«
Sehr intelligent sah er nicht aus, der Herr Professor, als er sein Gegenüber mit halbgeöffnetem Mund anstarrte. »Muß ich das jetzt verstehen?«
»Nein, mußt du nicht«, beruhigte ihn Florian und erklärte kurz, weshalb nicht nur eine Gans ausquartiert werden mußte, sondern auch noch ein beziehungsweise zwei Bewacher derselben. »Ich glaube, die fummeln nebenbei noch an den Tischkarten herum.«
»Wo ist das?«
»Links die Straße runter bis zum übernächsten Bungalow. Hildebrandt steht dran. Hast du 'ne Katzenallergie?«
»Nicht daß ich wußte. Warum?«
»Wegen dieser beiden wandelnden Flokatis. Perserkatzen, Scotch und Bourbon. Sie haaren wie zwei alte Besen und sind ausgesprochen kommunikationsfeindlich.«
»Ich werde nicht in engere Beziehung zu ihnen treten«, versprach Fabian, schlüpfte aus der Tür und schloß sie leise hinter sich. Wenig später flog sie wieder auf. »Jetzt bist du aber mal an der Reihe!« fauchte Tinchen. »Seit zwanzig Minuten höre ich mir das Geblubber von Gisela an über
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