Hotel Mama vorübergehend geschlossen
sogar noch bis auf die Straße mitgelaufen, um sich davon zu überzeugen, daß er den Korb auch transportsicher abstellen würde. »Nicht auf den Rücksitz, Florian, da kann er rutschen.«
Nun stand es auf dem vorderen Tisch, vor jedem Gedeck eine rote Kerze, passend zu den Blümchen, während die Vögel rosa Kerzen bekommen hatten. Kleine Tannen- und Mistelzweige waren über die Tische verstreut, und direkt über der Schiebetür, durch die man diesmal bequem gehen konnte, hing ein ganzes Bündel dieser weißen Beeren.
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Frau Professor sich freiwillig küssen lassen wird«, prophezeite Katrin. »Und ich bezweifle sogar, daß zwischen ihr und Fabian noch so etwas wie ein normales Eheleben stattfindet.«
Tinchen kicherte. »Soll es nicht Queen Victoria gewesen sein, die ihren Töchtern immer den gleichen Rat gegeben hat, bevor sie sie verheiratete? ›Und was das andere betrifft, mein Kind, schließe die Augen und denke an England!‹«
Sie hatte gerade leise die Tür wieder ins Schloß gedrückt, als es recht energisch klingelte. »Das kann nur meine Sippe sein! Würdest du dich ein bißchen um Tim und Tanja kümmern? So langsam muß ich nämlich meine toten Vögel einsammeln gehen.«
Tinchen zog sich eine Jacke über, schlüpfte durch die Tür zum Garten und lief zu dem Hildebrandt'schen Haus. Julia öffnete. Sie hatte ein Handtuch um den Bauch gewickelt, ein zweites über die Brust, schwang einen Kochlöffel und begrüßte ihre Mutter mit einem grämlichen: »Was willst du denn schon?«
»Die Gans holen. Oder wenigstens den Fond. Wie soll ich denn sonst eine Soße kriegen?«
»Wie du eine kriegst, weiß ich nicht, ich bin gerade dran und wäre dir dankbar, wenn du mich dabei nicht störst.«
»Du kannst kochen?« staunte Tinchen. »Seit wann?« Nur zu gut erinnerte sie sich an Julias Schulzeit, als sie in der elften Klasse an einer
Arbeitsgemeinschaft Hauswirtschaft
teilgenommen hatte und Florian nach vier Wochen wissen wollte, was sie denn schon kochen könne.
»Kochen haben wir noch gar nicht gehabt«, hatte Julia geantwortet, »wir sind erst beim Auftauen.«
»Dann zeig mir wenigstens mal, wie weit du bist«, verlangte Tinchen und drängte in die Küche. Nach einem Blick in den Backofen mußte sie zugeben: »Sieht gut aus, besser hätte ich das auch nicht hingekriegt. Ist das da auf der Kochplatte die Soße?«
»Nein, ich desinfiziere die Filter vom Aquarium! – Mutti, laß mich
bitte
in Ruhe, du machst mich nervös. Genügt es, wenn ich dir sage, daß zu unserer WG auch eine Köchin gehört, die in einem Nobelschuppen gelernt hat und momentan die Hotelfachschule besucht?«
»Daß
sie
kochen kann, glaube ich, aber du …?«
»Also, wenn du jetzt nicht gleich gehst, schmeiße ich den Löffel in die Ecke, kippe die Soße ins Spülbecken, setze mich ins Auto und fahre zurück!«
Erschrocken machte Tinchen kehrt und ging zur Tür. »Ist gut, mein Kleines, ich glaub dir ja. Nimm's nicht übel, ich komme mir heute vor wie an Strippen gezogen. Wann kommst du denn rüber? Die Tübinger sind da, dein Bruder mit Anhang ist gerade gekommen, und die anderen werden wohl auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.« Auf der Treppe drehte sie sich noch mal um. »Sind Rüdiger und Fabian noch hier?«
»Nee, die sind vor zehn Minuten in die Stadt gefahren, die Überraschung abholen.« Julia grinste über das ganze Gesicht. »Das wird garantiert eine werden, und auf die Gesichter einiger Leute bin ich wirklich gespannt! – Ach ja, Mutsch, nimmst du bitte die Platzkärtchen mit?« Sie lief noch einmal zurück und holte einen Stapel rechteckiger Karten. »Wie du sie verteilen willst, weiß ich allerdings nicht; vielleicht solltest du das Katrin überlassen, die hat irgendwie das Gespür für so heikle Dinge.«
Tinchen nahm die Karten, steckte sie in die Tasche und ging an ihrem Haus vorbei zum Nachbargrundstück. Frau Knopp hatte sie bereits kommen sehen und öffnete, bevor Tinchen auch nur die Klinke der Gartentür berührt hatte. »Die Keulen sind fast durch, vielleicht noch zehn Minuten oder so, aber nu muß ja noch die Soße gemacht werden. Ich hätt schon angefangen, aber denn hat der Alois gesagt, ich soll doch lieber erst fragen.«
Tinchen nahm sich vor, Alois bei nächster Gelegenheit eine ganze Flasche Korn zu spendieren, denn sie kannte Frau Knopps Soßen. Sie bestanden in erster Linie aus Mehl und unterschieden sich eigentlich nur durch die Farbe, nämlich
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