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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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velourslederne Hocker und estorilblaue Teppiche, dabei wird es höchste Eisenbahn für die Klöße.«
    »Was für Teppiche?« wollte Florian wissen.
    »Estorilblau. Keine Ahnung, was das ist, interessiert mich auch nicht. Nimm bitte deinen Hintern vom Tisch und gib mir mal die Schüssel von da drüben rüber.«
    »Estoril ist ein Badeort in Portugal. Gerlach hat da mal Urlaub gemacht, aber von blauen Häusern hat er nie was erzählt.«
    »Vielleicht bezieht sich die Farbe ja mehr auf den Zustand der Einheimischen, wenn sie dem Madeira zugesprochen haben.« Sie verdrehte die Augen. »Das Zeug schmeckt einfach sagenhaft!« Dann sah sie Florian durchdringend an. »Entweder hältst du mir jetzt Gisela vom Hals, bevor sie doch noch hier aufkreuzt, oder du hilfst mir beim Kochen! Geschält sind die Kartoffeln schon, aber du könntest sie reiben!«
    Worauf Florian fluchtartig die Küche verließ und vom Arbeitszimmer aus seine Schwiegermutter anrief. Vielleicht war sie schon ausgehfertig. Frau Antonie bedauerte. Er hatte sie bei der Komposition ihrer Rehrückensahnesoße gestört, und die Spätzchen waren auch noch nicht im Wasser.
    »Toni, selbst wenn du den schwäbischen Dialekt nicht leiden kannst, diese Nudeln heißen trotzdem
Spätzle
und nicht
Spätzchen.
Sogar Biolek nennt sie so.«
    »Wer ist Biolek?«
    Er überging die Frage und erkundigte sich nach Frau Ka-Ka. Mit etwas Glück war die ja schon präsentabel und gewillt, den Smalltalk mit Gisela zu übernehmen.
    »Frau Klaasen-Knittelbeek würde niemals auf den Gedanken kommen, vor der angegebenen Zeit zu erscheinen«, beschied ihm Frau Antonie, »ganz abgesehen davon, daß sie in der Badewanne sitzt.«
    Und dann kam plötzlich Leben ins Haus. Schlingernd hielt ein Taxi vor der Tür, heraus kugelten zwei Knaben, die sich um ein längliches Geschenkpaket stritten, ihnen folgte eine schlanke Frau in einem winterweißen Hosenanzug, und zum Schluß wand sich Clemens aus dem Wagen. »Wir hätten vorhin doch auf dem Daimler bestehen sollen«, rief er seiner Frau zu. »Diese Japaner sind für einen normalgewachsenen Mitteleuropäer einfach zu niedrig.« Er bezahlte den Fahrer und ließ sich zwei Reisetaschen aushändigen. »Hast du schon geläutet?«
    »Nicht nötig!« Sie deutete auf die Tür, durch die ihre beiden Kinder gerade ins Haus stürzten. »Das hier ist für Onkel Florian«, erklärte Michael und zerrte an einem Ende vom Paket, »für dich hat Mami Parfüm, das durften wir aber nicht nehmen, weil sie Angst hat, es fällt vorher runter. Laß doch mal los, Matthias!«
    Der ließ natürlich nicht los, das Papier riß an zwei Stellen ein, und zum Vorschein kam ein gerahmtes Poster. Es war die bekannte Fotografie ›Lunchtime‹ aus den dreißiger Jahren, auf der ein Dutzend Arbeiter hoch über den Wolkenkratzern von New York auf einem Stahlträger sitzt und frühstückt. »Da wird sich Onkel Florian aber drüber freuen«, sagte Tinchen und umarmte Katrin, die gerade das Haus betreten hatte.
    »Guck doch erst mal ganz genau hin!« verlangte Matthias. »Fällt dir denn gar nichts auf?«
    »Nein, was denn?« Aber dann sah sie es doch. Sie selber saß auf diesem Träger, trug eine Schirmmütze und plauderte mit ihrem Nachbarn. Drei Plätze weiter entdeckte sie Florian, der gerade sein Butterbrot auswickelte. »Das ist ja irre! Wie habt ihr denn das hingekriegt?«
    »Nicht wir! In Tübingen gibt es so einen Postershop, die kopieren dort jedes Gesicht in das Original. Am schwersten war es, passende Fotos von euch zu kriegen. Die hat uns dann Karsten besorgt.«
    »Du weißt, daß mir schon auf der obersten Sprosse einer Stehleiter schwindlig wird? Ich bin noch nie auf'm Kölner Dom gewesen, hasse Seilbahnen und könnte nicht höher als im dritten Stock wohnen!«
    Katrin überantwortete ihren Nachwuchs dem Erzeuger desselben, empfahl ihm, seine Söhne erst einmal einer zumindest flüchtigen Reinigung zu unterziehen, bevor er sie ihrer Großmutter präsentierte, und folgte Tinchen in die Küche. »Jetzt gibt mir eine Schürze und sag mir, was ich machen soll. Frau Professor kann warten!«
    Während sie die restlichen Kartoffeln rieb, erzählte sie Tinchen, daß sie den Wagen zu Hause gelassen und mit dem ICE gefahren seien. »Kein Stau, kein Glatteis, keine nörgelnden Kinder, die alle halbe Stunde auf's Klo müssen, stattdessen bequeme Sitze und zwei Jungs, deren Bewegungsdrang sich zwischen Abteil und Bistro-Wagen austoben konnte. Wir hatten sogar Plätze mit einem Tisch

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