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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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weißlich-grau, hellbraun oder dunkelbraun. Probiert hatte sie noch keine, obwohl Frau Knopp ihr schon mehrmals irgendwelche ›Kostehäppchen‹ rübergebracht hatte, namentlich dann, wenn sie von einem Auslandsurlaub zurückgekommen war und die dortigen Gerichte nachkochen wollte.
    »Vielen Dank, Frau Knopp, doch das ist nicht nötig. Füllen Sie sich erst mal eine Portion Bratenfond ab, und den Rest geben Sie mir bitte mit. Meine Mutter hat nämlich auch Pute im Ofen, und deshalb kippen wir die Soßen einfach zusammen.«
    Frau Knopp sah das ein, obwohl sie von ihrer Friseuse ein neues Rezept bekommen hatte, »garantiert wenig Fett, aber viele Kohlehydrate«.
    Na klar, dachte Tinchen, Mehl hat ja auch genug davon! Mit einem Schüsselchen Soßenfond (die Knopp muß ihren eigenen Putenschlegel baden wollen! sinnierte sie, auf das bißchen Flüssigkeit starrend) zog sie von dannen, nachdem ihre Nachbarin zugesagt hatte, die fünf Keulen Punkt halb zwei abzuliefern.
    Zu Hause hatte der Geräuschpegel um einige Dezibel zugenommen. Die Kinder hingen oben vor dem Fernseher und begleiteten die Heldentaten des unternehmungslustigen Bernhardiners mit lautem Geschrei. Einen Stock tiefer saßen Tobias und Björn vor einem flüchtig skizzierten Stammbaum, denn Björn hatte vor dem massiven Auftreten seiner Verwandtschaft resigniert. »Ich hab keine Ahnung mehr, wer zu wem gehört und wie dann wieder die einzelnen zusammenpassen. Kann mir das nicht mal jemand verklickern?«
    Im Parterre, genauer gesagt, in der Küche, rotierte Katrin, halbherzig unterstützt von Ulla, im Wintergarten saß die Frau Professor vor ihrem nunmehr dritten Glas Sherry und blätterte gelangweilt in einer vier Wochen alten Illustrierten, und unten im Keller überprüften Florian und Clemens die Temperatur der verschiedenen Weine. »Gilt das eigentlich immer noch, roter Wein zu dunklem Fleisch und heller zu hellem?«
    »Das kommt auf die jeweilige Auslegung an«, sagte Florian, »normalerweise hat ein Huhn weißes Fleisch, also gehört Weißwein dazu. Was aber, wenn das Huhn sehr dunkel geworden ist, was bei Tinchen öfter passiert. Muß ich dann wirklich Rotwein trinken?«
    »Am besten trinkst du Bier dazu, damit gehst du allen Überlegungen aus dem Weg.«
    »Weihnachten gibt's kein Bier, das ist zu ordinär, sagt meine Schwiegermutter.«
    »Macht nichts, wir essen ja auch kein Huhn«, beendete Clemens die Debatte. »Hörst du, es hat schon wieder geklingelt. Komm, laß uns raufgehen, Pfötchen schütteln.«
    Tinchen hatte schon geöffnet. Vor der Tür standen Fabian und Rüdiger sowie ein wunderhübsches Geschöpf mit schwarzen Augen, schwarzen Haaren und – schwarzer Haut. Nein, ganz schwarz war sie nicht, korrigierte sich Tinchen sofort, eher dunkel-kakaobraun. Wulstige Lippen hatte sie auch nicht, sondern ein ebenmäßiges Gesicht mit hochstehenden Wangenknochen, und ihre schmale Taille kam in dem perlmuttfarbenen Minikleid ausgezeichnet zur Geltung. »Kann es sein, daß ich Sie wirklich noch nie in einer Modezeitung gesehen habe?« war denn auch Tinchens erste Frage, nachdem sie die Ankömmlinge begrüßt hatte.
    »Joyce ist kein Model!« sagte Rüdiger sofort.
    »Dann möchte ich wissen, wo die Fotografen ihre Augen haben! – Aber jetzt kommt doch erst mal rein! Rüdiger, du wirst deinen Gast bitte mit den anderen bekanntmachen, ich muß leider wieder in die Küche.«
    »Kann ich Ihnen vielleicht helfen?« Sie hatte eine weiche, dunkle Stimme und nur einen ganz leichten Akzent. »Ich bin keine so schlechte Köchin.«
    »Vielen Dank, das ist lieb von Ihnen, aber ich habe schon zwei Küchensklaven. Lassen Sie lieber erst die unerläßliche Begrüßungstour über sich ergehen.«
    Von der Kellertreppe her ertönte ein anerkennender Pfiff. »Donnerwetter!« staunte Florian. »Wer hat uns denn diese Schönheit ins Haus gebracht?«
    »Sie muß sich in der Adresse geirrt haben«, vermutete Clemens. »So etwas Exotisches lernen biedere Durchschnittsbürger wie wir doch niemals kennen.«
    »Ihr seid verheiratet! Beide! Vergeßt das nicht!« erinnerte Rüdiger, bevor er seine Begleitung vorstellte. »Sie heißt Joyce Brennan und ist Sängerin; noch nicht ganz so gut wie seinerzeit Ella Fitzgerald, aber sie ist ja auch noch ein paar Jahrzehnte jünger.«
    »Hat man Sie schon der Meute zum Fraß vorgeworfen?« Clemens hatte sich sofort an ihre Seite geschoben und bot ihr jetzt seinen Arm. »Kommen Sie, je eher Sie das hinter sich haben, desto besser. –

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