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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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solle er aufgeben, er könne vielmehr froh sein, wenn er bei seiner Schwiegermutter nicht lebenslänglich Hausverbot bekäme, aber was er denn davon hielte, ihr das Ergebnis der nächtlichen Beratung mit Fabian mitzuteilen. »Das entschuldigt sowohl dein etwas ramponiertes Aussehen als auch deinen verbalen Ausrutscher; nach drei Stunden Schlaf ist man eben noch nicht voll da!«
    »Voll schon«, widersprach Florian, »ich weiß gar nicht mehr, wie ich ins Bett gekommen bin. Das letzte, woran ich mich erinnere, ist der Taxifahrer. Er wollte von mir eine schriftliche Bestätigung, daß ich für die Reinigungskosten aufkomme, falls dein Vater den Wagen vollkotzt. Ich habe ihm eine Visitenkarte von Tinchen gegeben und JA draufgeschrieben.«
    Gemeinsam waren sie an den Tisch zurückgekehrt, hatten Frau Antonies steinerne Miene ignoriert und den Duft von Rühreiern eingesogen, die Tinchen gerade vor Florians Platz gestellt hatte. »Vielleicht geht's dir besser, wenn du was im Magen hast!«
    Dankbar hatte er zur Gabel gegriffen, und weil man mit vollem Mund nicht reden darf, hatte Clemens das übernommen. Er war gerade damit fertig geworden, und nun saßen sie zu fünft um den Tisch und sagten erst mal gar nichts.
    »Finde ich toll, was ihr da vorhabt!« brach Katrin endlich das Schweigen, »ich weiß nicht, ob ich mir das aufhalsen würde. Noch dazu in dem Alter! Aus eigener Erfahrung kann ich natürlich noch nicht mitreden, aber man hört auch so genug!«
    »Ich bin doch noch keine Greisin!« empörte sich Tinchen.
    »Dich meine ich ja gar nicht!«
    Frau Antonie goß Tee in ihre Tasse und hörte erst auf, als er schon ein bißchen übergelaufen ist. Jetzt mußte sie leise schlürfend abtrinken, was sich natürlich nicht gehörte. Sie tupfte den Mund mit einer Papierserviette ab und legte sie zur Seite. »Habt ihr euch das auch genau überlegt?«
    »Fünf Stunden und dreieinhalb Flaschen Wein lang«, antwortete Florian, wobei er den Cognac vorsichtshalber unterschlug. »Dann haben wir nichts mehr gefunden, was dagegen spricht.«
    »Auf den Gedanken, mich auch mal zu fragen, seid ihr wohl gar nicht gekommen?« wollte Tinchen wissen.
    »Das Ganze ist doch überhaupt erst deine Idee gewesen!« Florian schob seinen geleerten Teller zur Seite – »war prima, Tine!« – und griff zur Zigarettenpackung. »Darf ich nicht ausnahmsweise mal hier … draußen haben wir nämlich sechs Grad unter Null!«
    »Bei mir waren's vorhin noch neun, und ich hab trotzdem vor der Tür …« Da fiel ihr ein, daß Weihnachten vorbei war und damit auch die Nikotinabstinenz innerhalb des Hauses. »Es darf wieder geraucht werden!«
    Frau Antonie nahm es schweigend zur Kenntnis. Früher hatte sogar sie gelegentlich zu einer Zigarette gegriffen, weil das damals unter den jungen Mädchen als schick galt, denn letztendlich wollte man auch in Breslau mit der Zeit gehen, aber sie hatte nie verstanden, welchen Genuß man dabei empfinden sollte. Ganz abgesehen davon, daß sie sich ihr bestes Kleid ruiniert hatte. Seinerzeit rauchte man nämlich aus einer möglichst langen Spitze, und da passierte es schon mal, daß die Zigarette unbemerkt herausfiel. Tonis Mutter hatte zwar versucht, das Brandloch mit einem Schmetterling zu kaschieren, aber wer trägt schon in der Hüftgegend eine Brosche? Dann kam der Krieg und mit ihm das Dekret, daß eine deutsche Frau nicht raucht, was Toni Marlowitz nur zu gern befolgte, während sie die andere Auflage, eine deutsche Frau habe sich auch nicht zu schminken, genausogern mißachtete.
    Ihr Ernst hatte natürlich auch geraucht, erst die amerikanischen Zigaretten vom Schwarzmarkt, dann billige Stumpen, die entsetzlich gestunken hatten, doch als sie nicht mehr jede Mark dreimal umdrehen mußten und er seinen Bedarf statt am Zeitungskiosk im Fachgeschäft decken konnte, hatte Toni den Duft einer guten Zigarre sogar zu schätzen gewußt. Das war doch kein Vergleich mit diesen heutigen Glimmstengeln! Kein Wunder, daß es jetzt modern war,
nicht
zu rauchen und die Unverbesserlichen samt Feuerzeug und Aschenbecher an die frische Luft zu setzen. Nicht mal Frau von Rothenburg hatte sich brüskiert gefühlt, als Toni sie zum erstenmal gebeten hatte, auf der Terrasse zu rauchen; sie hatte im Gegenteil erzählt, daß sie das zu Hause auch täte. »Es reicht, wenn der Geruch in den Kleidern haftet«, hatte sie gesagt, »er muß nicht auch noch in die Gardinen ziehen.«
    Jetzt allerdings fühlte sich Frau Antonie regelrecht eingenebelt.

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