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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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sich abwechselnden japanischen Teehäusern und Geishas bemalt, sah es eher aus wie eine Konfektschale, nur hatte es statt eines Deckels oben ein rundes Loch für das Teelicht. ›Edelkitsch in Reinkultur‹ hatte Tinchen dieses Teil immer genannt und ihrer Mutter schließlich etwas Moderneres aus Metall geschenkt. Von der porzellanenen Geschmacksverirrung hatte die sich jedoch nicht trennen können und sie in den besagten Schleiflackschrank versenkt, bis sie bei Frau Reutter landete. Die wiederum fand das Stövchen einfach nur grauenvoll, verbannte es in ihre Anrichte und holte es nur heraus, wenn Frau Antonie im Anmarsch war. Da sie niemals ohne vorherige telefonische Anmeldung kam, klappte die Sache einwandfrei. Toni hatte künftig ihren heißen Tee, Frau Reutter ihre Ruhe und das Stövchen wieder seine Daseinsberechtigung.
    »Es gab keinen plausiblen Grund, weshalb die Tübinger schon heute fahren sollten. Die Kinder haben Ferien, Clemens hat kommende Woche noch Urlaub, und Katrin meint, daß Düsseldorf in modischer Hinsicht doch ein bißchen mehr zu bieten habe als Tübingen. – Hat der Tee die richtige Farbe, Mutti?«
    Frau Antonie hatte das bejaht und war dann auf ihr momentanes Lieblingsthema zurückgekommen. »Was hat denn die Frau Professor nun gesagt, als sie mit ihrer zukünftigen Schwiegertochter konfrontiert worden ist? Gestern in Gegenwart von allen anderen hat sie sich natürlich zusammengenommen, aber ich habe ihr genau angesehen, wie entsetzt sie war.«
    »So, findest du?« hatte Florian mit einem sarkastischen Unterton eingeworfen. »Dann hättest du mal ihr entsetztes Gesicht sehen sollen, als sie unter vier Augen, aber in Hörweite von mindestens sechs Paar Ohren Rüdiger abgekanzelt hat, bis der ihr kurz und bündig mitteilte, daß Joyce schwanger sei und ihm gar nichts übrigbleibe, als sich um sie zu kümmern. Worauf Frau Professor die Contenance verlor und ausfallend wurde.«
    Frau Antonie hatte verstehend genickt. »Das hätte ich nicht von ihr gedacht, aber man muß ihre begreifliche Enttäuschung …«
    »Unsinn!« Richtig ärgerlich war Tinchen geworden. »Sie ist ein borniertes, gefühlskaltes, egoistisches Weib, dem es im Grunde völlig egal ist, ob und wen Rüdiger heiratet, solange es ihr Renommee nicht beeinträchtigt. Als der dann endlich damit herausrückte, daß Joyce seit zwei Jahren mit einem farbigen Musiker verheiratet ist, hat sie sich zwar pro forma entschuldigt, nur geglaubt hat sie ihm nicht.«
    »Nun ja«, hatte Frau Antonie beigepflichtet, »aber weshalb ist diese junge Frau dann nicht bei ihrem Mann gewesen?«
    Worauf Florian endgültig der Kragen geplatzt war. »Du bist ja noch schlimmer als Gisela!« hatte er gewütet, »genaugenommen geht dich das doch gar nichts an. Aber damit du heute nacht ruhig schlafen kannst … Joyce war bis jetzt bei Rüdiger engagiert, ihr Mann verdient aber seine Brötchen zur Zeit in London, einen Direktflug Mailand-Heathrow gab's nicht oder war ausgebucht oder gestrichen, weiß ich nicht mehr, jedenfalls hat Rüdiger angeboten, sie im Wagen mitzunehmen und hier in den Flieger zu setzen, was er inzwischen auch getan haben dürfte. Er selber ist weitergefahren nach Hamburg, wo er sich mit einem Freund treffen will. Zufrieden?«
    Nein, Frau Antonie war keineswegs zufrieden gewesen, doch das hatte sie natürlich nicht gesagt. Es ging sie ja auch wirklich nichts an, weshalb ein in derselben Branche tätiges Ehepaar nicht zusammen engagiert wird und warum es keine schnellere Möglichkeit geben sollte, von Mailand nach London zu kommen. Ein bißchen merkwürdig war die ganze Sache schon. »Was ich immer noch nicht verstehe«, hatte sie wieder begonnen, doch da hatte das Telefon geläutet, Florian war rangegangen, hatte aber den Hörer gleich wieder aufgelegt.
    »Nanu, so schnell?« hatte sie sich gewundert, »wer war denn dran?«
    »Das Krematorium! Fragt, wann du kommst!«
    Natürlich hatte er sich gleich darauf entschuldigt, etwas von ›Freud'schem Versprecher‹ gemurmelt in der berechtigten Annahme, daß seine Schwiegermutter damit nichts anfangen könnte, und war ganz schnell durch die Terrassentür ins Freie geschlüpft. Dort hatte er von Clemens eine Zigarette geschnorrt und von ihm wissen wollen, ob seine allzu spontane Bemerkung Konsequenzen haben würde. »Toni wollte mir nämlich zum Geburtstag ein Schachspiel für den Computer schenken. Dann wäre das Ding doch wenigstens zu etwas nützlich.«
    Clemens hatte gemeint, diese Hoffnung

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